Drei, zwei, eins – keins

Online-Auktionen haben immer noch den Reiz von Spannung und Abenteuer. Doch Vorsicht: Am Ende geht es hektisch zu, und plötzlich steigen die Gebote. Da freut sich der Verkäufer. Wenn der Preis dennoch klein geblieben ist, kommt garantiert in allerletzter Sekunde ein Sniper und schlägt blitzschnell zu

VON DIETER GRÖNLING

Der Kollege von dem Hamburger Internet-Magazin war ganz aufgeregt am Telefon: „Kannste nicht mal rauskriegen, welches Online-Auktionshaus in der Berliner Blücherstraße firmiert? eBay hat dorthin zu einer Pressekonferenz geladen, und sie machen ein großes Bohei darum. Das riecht nach einer Übernahme. Willste nicht mal hingehen? Es gibt auch was zu trinken.“

Das war im Juni 1999, und es gab Prosecco und Schnittchen. Die Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer gaben bekannt, dass das amerikanische Auktionshaus eBay nach Deutschland expandieren will und sie deshalb ihre Kreuzberger Hinterhoffirma Alando für einen nicht genannten Betrag an eBay verkauft haben. Später munkelte man etwas von dreißig oder vierzig Millionen. Ein netter Reibach wenn man bedenkt, dass die Samwer-Brüder ihre Firma erst drei Monate zuvor mit einem haargenau von eBay abgekupferten Konzept und fast ohne Eigenkapital gegründet hatten. Aber das war kein Problem in den goldenen Zeiten der alten New Economy, schließlich ist eBay-Gründer Pierre Omidyar 1995 auch nur deshalb auf die Idee mit den Online-Auktionen gekommen, weil seine Frau eine leidenschaftliche Sammlerin von PEZ-Boxen war – den auch hierzulande in den Sechzigerjahren beliebten Plastikspendern für Brausebonbons.

Von den weltweiten Online-Unternehmen gehört eBay neben Amazon, Google und ein paar anderen auch heute noch zu den ganz wenigen, denen es nicht nur gut, sondern immer besser geht. Kein Wunder: Um die Abwicklung der Auktionen und den Versand der Ware kümmern sich die eBay-„Mitglieder“ selbst. Über eBay verkaufen heute mehr Menschen, als der gesamte Karstadt-Konzern Verkäufer hat. Und der Boom des Online-Handels in den vergangenen Jahren und ganz besonders der von Medien und Werbung geschürte Hype mit den Internet-Auktionen ist ganz sicher auch eine der Ursachen dafür, dass Karstadt in die Krise geriet und es dem gesamten Einzelhandel nicht gut geht. Das Weihnachtsgeschäft ist dafür ein guter Indikator: Diesmal wurde bereits etwa ein Viertel des gesamten Umsatzes online gemacht, ein sehr großer Teil davon ging an eBay-Verkäufer. Am Heiligen Abend wurden schon ganz kurz nach dem Abendessen die ersten Weihnachtsgeschenke zur Versteigerung angeboten – noch bevor die allgegenwärtigen eBay-Werbespots genau das propagierten.

Dabei ist das, was bei den Auktionen den Zuschlag erhält, in der Regel alles andere als billig, preiswert oder günstig. Immer noch suggeriert das Dummwort „Schnäppchen“ die Flohmarktatmosphäre aus den Anfangstagen, wo kommerzielle Verkäufer in der Minderheit waren und alles noch ganz aufgeregt vonstatten ging. Auch wenn die eBay-Werbung im TV mit „Drei, zwei, eins – meins!“ genau die knisternde Spannung am Ende einer Auktion rüberbringen will: Egal in welchen Bereichen und in welcher Warengruppe – heute ist fast die gesamte Auktionsplattform in den Händen kommerzieller Anbieter. Das ist nicht nur an den zahllosen eigens für gewerbliche Kunden eingerichteten eBay-Shops zu erkennen, auch die vielen Angebote von Neuware zum Festpreis machen das in vielen Warenkategorien mehr als deutlich. Die Festpreise für Neuware liegen zum Beispiel bei technischen Geräten aller Art meist knapp unter dem Preis, den Discounter verlangen. Hinzu kommen jedoch noch die Versandkosten. Das ist ein wichtiger Punkt, denn viele Händler wissen genau, dass Käufer da in der Regel nicht so genau hinschauen – und langen kräftig zu. 9 Euro Versand bei einer kleinen SD-Speicherkarte, die bequem in einem normalen Brief mit einer 55-Cent-Marke verschickt werden kann, sind keine Seltenheit.

Privatanbieter, die den Plunder vom Dachboden versteigern wollen oder aus der betagten Hifi-Anlage noch ein paar Euro rausholen möchten, gibt es zwar auch in großer und immer noch steigender Anzahl – Auktionen mit für Käufer richtig guten Ergebnissen sind jedoch selten geworden. Das bedeutet: eBay ist gut – für Verkäufer! Wer gezielt nach etwas sucht, sollte sich neben eBay die Angebote anderer Bezugsquellen auch dann anschauen, wenn dafür der Hintern aus dem Haus bewegt werden muss. Wer es dennoch online versuchen möchte, kann ja mal vorab ein paar Auktionen aufmerksam beobachten, sonst wird aus dem Werbespruch schnell ein „Drei, zwei, eins – keins!“

Oder der Auktionspreis ist am Ende viel zu hoch. Ein persönliches Limit ist vor allem bei begehrten Sammlerstücken unerlässlich. Auch bei gebrauchten oder neuen Alltagsgegenständen ist das Limit wichtig; es ist schon oft vorgekommen, dass der Zuschlag für ein Objekt aus zweiter Hand deutlich teurer war, als das gleiche Produkt neu im Laden gekostet hätte. Maximal die Hälfte des Neupreises ist bei technischen Geräten aller Art eine gesunde Obergrenze.

Solche Anfängerfehler sind auf die besondere Situation bei Online-Auktionen zurückzuführen: Zu Beginn der meist mehrtägigen Auktionen passiert erst mal überhaupt nichts – und zwar unabhängig vom Startpreis. Erfahrene Verkäufer wissen das, und um das Angebot attraktiv zu machen, wird als Startpreis 1 Euro festgelegt. Nur ganz langsam steigen dann die Gebote. Da ständig unzählige Auktionen gleichzeitig laufen, sind in allen Rubriken immer scheinbar unglaublich preiswerte und interessante Dinge zu sehen. Das schicke Mobiltelefon für 12,27 Euro, die Hängematte „Desert Storm“ für Frettchen und Ratten für nur 9,50 Euro, die Bauhaus-Designerlampe für 30,03 Euro. Ganz oben in der Liste stehen die Angebote, die bald beendet sind, weiter unten die neu hinzugekommenen. Von den Angeboten zum Festpreis abgesehen, ist der aktuelle Preis höher, je weniger Zeit bleibt.

Auch wenn das Objekt schon seit einer Woche angeboten wird und auf der Liste immer höher rückt: Entscheidend ist die letzte halbe Stunde, und je näher das festgelegte Ende rückt, um so heftiger überschlagen sich nun die Gebote. Das gilt besonders für heiß begehrte Artikel. Der Grund: Der automatische eBay-Bietagent bietet stets nur so viel, dass die Offerte des Konkurrenten um den üblichen Erhöhungsschritt von 50 Cent überboten wird – bis zum vorher festgelegten persönlichen Limit. Wer zum Beispiel bereit ist, für einen MP3-Player 100 Euro auszugeben, gibt ein Maximalgebot in genau dieser Höhe ab. Steht der Player gerade bei 45 Euro, erhöht der Agent nur um 50 Cent, so dass der Endpreis möglicherweise geringer ist als die veranschlagten 100 Euro. Wenn jedoch viele gleichzeitig bieten, überbieten sich die Agenten im Hintergrund mehrfach gegenseitig, und es kann leicht passieren, dass plötzlich ein deutlich höherer aktueller Preis angezeigt wird und dass die 100 Euro plötzlich nicht mehr reichen. Auch wenn es juckt und man fast bereit ist, noch mal nachzulegen: Spätestens jetzt sollte Schluss sein.

Erfahrene Profis klicken auf „Artikel beobachten“ und werden erst kurz vor Auktionsende aktiv. Oder sie holen sich bei www.lastminutegebot.de den neuesten Sniper (engl. für „Heckenschütze“) und lassen den die Arbeit machen. Die automatische Auktions-Software überwacht den Verlauf und platziert auf die Sekunde genau kurz vor Auktionsschluss das Gebot. Die Uhr des Rechners wird dazu mit der eBay-Uhr synchronisiert. Das üblicherweise sich schon am Auktionsanfang abzeichnende Hochschaukeln der Preise wird vermieden, kein Auktionsende wird verpasst. Und das spart Geld, Zeit und Nerven. Mit der kostenlose Demoversion können 5 Auktionen verfolgt werden. eBay versuchte zwar, per einstweiliger Anordnung den Vertrieb von „LastMinute Gebot“ zu stoppen, weil manuelle Bieter nun chancenlos seien und der Auktionsplattform deshalb die Kunden weglaufen würden, aber das Landgericht Berlin sah das anders und hob die Anordnung wieder auf.

Vielleicht ist das auch ganz gut so – eBay besitzt längst so etwas wie das weltweite Monopol auf Online-Auktionen und hat die Mitbewerber weitgehend verdrängt. Die Firma expandiert munter weiter – mit Skype, dem aufgekauften Anbieter für Internet-Telefonie, mit Kijiji, dem Portal für Kleinanzeigen, und mit vielem anderen. Ganz wie die Gebrüder Samwer: Die gründeten nach ihrem eBay-Ausstieg das Unternehmen Jamba und nervten fortan die Welt mit Klingeltönen.