Endlich mehr als nur geduldet

Viele palästinensische Flüchtlinge aus dem Libanon werden seit Jahren vom Land Berlin nur geduldet. Eine neue Weisung von Innensenator Körting beendet für viele den unsicheren Status

von ALKE WIERTH

„Pass verloren, Document des voyages pour les réfugiés Palestiniens (DDV), ausgestellt auf den Namen …“ – solche Annoncen schalten derzeit viele hier lebende palästinensische Flüchtlinge in Berliner Tageszeitungen. Die Ausweispapiere, die teils vor Jahrzehnten verloren gingen, auf diesem Weg tatsächlich wiederfinden zu können, ist zwar unwahrscheinlich. Aber die Annoncierenden erfüllen damit ihre Mitwirkungspflicht an einem Verfahren, das sie am Ende aus einer seit Jahren äußerst schwierigen aufenthaltsrechtlichen Situation führen soll. Ermöglicht wird das durch eine Weisung von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) an die Berliner Ausländerbehörde, die seit Oktober 2005 gilt.

Mehr als die Hälfte der in Berlin lebenden Araber sind Palästinenser, schätzen Experten. Bei über 25.000 dürfte ihre Zahl liegen, wenn man die bereits Eingebürgerten mitzählt. Die meisten von ihnen stammen aus Flüchtlingslagern im Libanon. Libanesische Staatsbürger sind sie damit noch lange nicht: Stattdessen verfügen sie über „DDV“ („Document de voyages pour les réfugiés Palestiniens“) genannte Flüchtlingspapiere. Häufig gingen diese auf der Flucht verloren, wurden von Schleppern einbehalten oder aber bewusst vernichtet bzw. den Behörden gegenüber verschwiegen. So konnte einer drohenden Abschiebung zurück in den Libanon vorgebeugt werden. Denn die libanesischen Behörden weigerten sich, Flüchtlinge wieder aufzunehmen, deren Herkunft aus dem Libanon sich nicht durch Dokumente nachweisen ließ.

Von der Ausländerbehörde erhielten diese palästinensischen Flüchtlinge ungeklärter Herkunft bislang in der Regel nur Duldungen. Dabei handelt es sich im juristischen Sinne nicht um einen Aufenthaltstitel, sondern um nichts weiter als „Aussetzungen der Abschiebung“. Sie sind in der Regel auf drei bis sechs Monate befristet. Integrationsperspektiven bieten sie nicht, denn Arbeitsaufnahme, Teilnahme an Deutschkursen oder Wohnungssuche werden durch die kurze Aufenthaltsperspektive erschwert. Für viele der in Berlin lebenden palästinensischen Flüchtlinge aus dem Libanon bedeutet das seit Jahren ein Leben auf Abruf. Denn auch wenn ihre Abschiebung in den Libanon faktisch unmöglich war, hatten sie kaum eine Chance, in Berlin tatsächlich sesshaft zu werden.

Nun hat sich Innensenator Körting (SPD) entschlossen, den Realitäten Rechnung zu tragen – mit einer Weisung an die Ausländerbehörde, wie sie in den meisten anderen Bundesländern längst getätigt wurde. Bislang müssen palästinensische Flüchtlinge, die einen besseren Aufenthaltsstatus als eine Duldung erlangen wollen, der Ausländerbehörde Dokumente vorlegen, die ihre Herkunft aus dem Libanon nachweisen. Die libanesische Botschaft weigert sich aber, solche Dokumente auszustellen, da sie die seitens des Libanon unerwünschte Abschiebung der Flüchtlinge befürchtet. Der neuen Weisung zufolge stellt die Ausländerbehörde zunächst die Zusicherung einer Aufenthaltserlaubnis aus. Mit dieser bekommen die Flüchtlinge dann bei der libanesischen Botschaft die DDV.

Zunächst müssen sie allerdings den Versuch unternehmen, die vermissten Papiere zu finden. Das geschieht unter anderem durch die Suchanzeigen in Tageszeitungen. Dreimal muss eine solche Annonce geschaltet werden, dann hält die libanesische Botschaft die Mitwirkungspflicht für erfüllt. Die Zahl der in Berlin lebenden palästinensischen Flüchtlinge, die von dieser Neuregelung profitieren, schätzt der auf Flüchtlingsfragen spezialisierte Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski auf vier- bis fünftausend. Wie andere Experten hält Kierzynowski, der seit Jahren Palästinenser aus dem Libanon vertritt, die neue Weisung des Innensenators für eine enorme Verbesserung – aber auch für eine längst überfällige.