irrungen & wirrungen : Bremer Bischof tot im Kino
Man kann natürlich sagen, der Bremer Erzbischof Gottfried von Arnsberg hätte einfach nur Pech gehabt, und sei deshalb in Stade im Kino gelandet, unterirdisch, versteht sich, und tot. Aber das hieße doch arg vereinfachen: Weit vielschichtiger ist die historische Wahrheit, was man schon daran sieht, dass das – seit 1988 geschlossene – Kino sich in einem anstelle eines 1132 gegründeten Prämonstratenserstifts errichteten Neubau der 90er-Jahre des 17. Jahrhunderts befand, weil damals die Schweden die Reste des Klosters geschliffen hatten. Weshalb rund 630 Jahre später „die Freilegung des Grabes“, das sich direkt unter dem Zuschauerraum des 1952 eröffneten Lichtspieltheaters, in dem 1974 Der Exorzist lief, befunden haben muss, als kleine Sensation galt. Aber der Reihe nach.
1348. Papst Clemens VI. hat gerade Avignon gekauft, ständig treibt ihn die Sorge für seine vielköpfige Familie um, und außerdem muss er Südfrankreich im Blick behalten. Nordedoittschlande? Qu’est-ce? Beiläufig setzt er Osnabrücks Bischof Gottfried an die Spitze des bremischen Erzbistums. Dass die dortigen Domherren schon Moritz von Oldenburg als neuen Chef gewählt haben, geht ihm komplett am Heiligen Stuhl vorbei. Sein Protégé Gottfried aber auch: Um Brême können sich die zwei Pappmützen allein kloppen. Was sie auch tun. Gottfried reist Anfang 1350 an die Weser, macht sich lieb Kind und baut eine Burg. Moritz verlässt die Stadt – aber nur sechs Monate, um im Nordwesten die Grafen von Oldenburg, im Nordosten die Herzoge von Lüneburg und fürs Grobe die Bauern von Wursten auf seine Seite zu bringen. Gotfrieds einziger nennenswerter Verbündeter ist Graf Bernd. Der hat seinen Stammsitz aber in Hoya, rund 30 Kilometer südlich. Wie ungünstig – wo doch das Meer im Norden liegt! Kein freier Zugang zur See – das macht die Kaufleute fickrig. Im Juli ist die Zeit reif für die Rückkehr des Moritz. Der heilige Mann dringt mit 900 Söldnern bis an die Stadtmauern vor. Zack! Das Bremer Heer ist gewesen. Moritz‘ Truppen marodieren, er selbst spendet hundertfach die letzte Ölung und in der City tobt die Pest: 7.000 Tote. Man verhandelt: Gottfried darf den Titel behalten, aber nicht das Amt, Moritz behält Amt und Titel. Doch Bremen macht sich in der Folge unbeliebt, wo es nur kann: Es fördert die Seeräuberei, schließt Sonderverträge mit Königen und bricht 1358 das frisch verhängte Flandern-Embargo. Die Hanse zürnt. Gottfried, der seit Herbst 1350 in Hoya auf Rache sinnt, erkennt seine Chance: Mit Herzog Magnus I. von Braunschweig hat er ausgedealt, dass er, Gottfried, die Resignation – also den Rücktritt – einreicht, damit dessen Sohn das Erzbistum übernehmen kann. 1358 schreitet man zur Tat, Papst Innozenz VI. erteilt seinen Segen. Hoya, Papst, die ganze Hanse und nun auch noch die kampferprobten Löwenstädter gegen sich? Das ist zu viel. Ab 1360 sind alle Bremer Domherren Fans von Erzbischof Albert II. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Who the fuck is Moritz von Oldenburg? Sein bewaffneter Widerstand scheitert 1362 kläglich. Er rettet für sich den Titel und Pensionsanspruch eines Domdekans und darf sich nach Hagen zurückziehen. Auch ein schönes Dorf. Gottfried hingegen logiert seit dem Rücktritt im gewichtigsten Kloster der gewichtigen Handelsstadt Stade. Er kann sich zufrieden zurück lehnen und 1363 sterben: „Betet für ihn, dem 12 Jahre ungerechte Schmach von den Seinen zuteil ward“, lamentiert die Inschrift auf dem 1992 entdeckten Grab. „Aber“, ergänzt sie tröstlich, „seine Peiniger wurden von Gott weit mehr noch bestraft.“ bes