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Archiv-Artikel

Der neue Staatschef, eine solide Übergangslösung

NIGERIA II Mit Goodluck Jonathan regiert erstmals ein Präsident aus dem Ölgebiet – ein Loyalist, kein Rebell

„Jonathan hat bewiesen, dass mit ihm ein Gentlemen’s Agreement machbar ist“

VON MARC ENGELHARDT

So viel Zurückhaltung ist nicht normal, erst recht nicht in Nigerias berüchtigter Machtpolitik. Fast 80 Tage hat Vizepräsident Goodluck Jonathan geduldig gewartet, während sein Chef Umaru Yar’Adua in einem saudischen Krankenhaus lag und Nigeria nicht regieren konnte. Als eine Ministerin im Kabinett erfolglos beantragte, der Vizepräsident möge doch endlich auch offiziell die Führung übernehmen, riet ihr ausgerechnet Jonathan selbst, den Dienstweg einzuhalten. Auf dem ist der 52-jährige Sohn eines Bootsbauers jetzt geradewegs in den Präsidentenpalast marschiert.

Denn zum Schluss waren es die mächtigen Senatoren, die bei Jonathan vorstellig wurden und den Beschluss zur Machtübertragung in Nigerias Parlament organisierten. Mehr als alles andere dürfte es seine Loyalität zu Yar’Adua sein, die die herrschende Clique aus dem muslimischen Norden zum Schluss davon überzeugte, die Macht sei auch bei diesem südnigerianischen Christen gut aufgehoben.

Hinter den Kulissen freilich hatte der gewiefte Strippenzieher bereits einen Deal ausgehandelt. Vermutlich hat Jonathan versprochen, bei Nigerias nächsten Wahlen 2011 nicht zu kandidieren und damit den Weg freizumachen für einen neuen Präsidenten aus dem muslimischen Norden. Wäre Yar’Adua bis dahin im Amt geblieben, wäre das schwieriger geworden.

„Jonathan hat bewiesen, dass mit ihm solch ein Gentlemen’s Agreement machbar ist“, glaubt Monika Umunna von der Heinrich-Böll-Stiftung in Lagos. Sein Geschick hat Jonathan auch damit bewiesen, dass er das für seine Putschfreudigkeit bekannte Militär in Schach hielt. „Dass noch Frieden in Nigeria herrscht, verdanken wir der Tatsache, dass Goodluck Jonathan ein geduldiger Mann ist“, glaubt Hochschulrektor Tersur Aben.

Als erster Staatschef des Vielvölkerstaats entstammt Goodluck Jonathan einer Ethnie aus dem ölreichen Nigerdelta, der Volksgruppe der Ijaw. Hier hat er sein Leben verbracht, als Zollbeamter, Zoologe, Vizegouverneur und Gouverneur. Diesen Posten im Bundesstaat Bayelsa bekam er 2005 nur, weil sein Chef wegen Geldwäsche in London verhaftet wurde. Zwei Jahre später, 2007, wurde Jonathan von Expräsident Olusegun Obasanjo in die Bundespolitik berufen, als Nummer zwei des regional, ethnisch und religiösen ausgewogenen „Tickets“ der Regierungspartei PDP (Volksdemokratische Partei) zu den Präsidentschaftswahlen.

Eine Hausmacht in der PDP hat er nicht. Seine Kritiker werfen ihm Unerfahrenheit vor. Doch in Nigeria kann es von Vorteil sein, keine politischen Altlasten mit sich zu führen – jedenfalls dann, wenn Jonathan es ernst damit meint, das zerrissene Nigeria zu einen.