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Archiv-Artikel

DEUTSCHLAND GRÜBELT ÜBER EIN EU-EINGREIFEN IM UN-AUFTRAG Ohnemichel in der Kongotruppe

Noch ist nichts entschieden, aber die Diskussion um eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr an einem EU-Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo treibt seltsame Blüten. Mit der kongolesischen Realität mag sich niemand auseinander setzen, das Land wird zum Inbegriff einer chaotischen afrikanischen Finsternis.

Man könne deutschen Soldaten nicht zumuten, im Kongo auf Kindersoldaten zu schießen, sagt ein Politiker; das Verhindern eines Genozids wie in Ruanda sei keine primär deutsche Aufgabe, kommentiert eine Zeitung. Beide Feststellungen sind Unsinn. Wenn zur Rettung von Menschenleben die Pflicht zum Eingreifen besteht, gilt diese für Deutschland genauso wie für andere Länder. Und es geht im Kongo nicht um Völkermord, verübt durch Kinder – eine beliebte Horrorvorstellung in Deutschland. Es geht darum, dass in wenigen Monaten die ersten richtig freien Wahlen der Geschichte dieses riesigen Landes stattfinden sollen – und dabei droht ein brutaler Machtkampf, denn keiner der herrschenden Warlords möchte seinen Rivalen das Feld überlassen. Das Land hat keine funktionierende Armee, die sich Putschisten, Kriegstreibern und Plünderern effektiv entgegenstellen könnte, und die UN-Truppe im Land ist dafür nicht groß genug.

Die EU will seit Jahren schnelle Eingreiftruppen aufbauen, um kurzfristig weltweit in Krisengebieten intervenieren zu können, zumal der UN-Sicherheitsrat zusätzliche UN-Truppen für Kongo mehrfach verweigert hat. Da liegt es nahe, dass die UNO die EU bittet. Deren Kongo-Einsatz ist deswegen noch lange nicht sinnvoll. Wenn es Krieg gibt, werden die vielleicht 1.500 Soldaten kaum mehr ausrichten können als Ausländer evakuieren. Viel wichtiger als das wären entschlossene politische Schritte zur Deeskalation.

Sollte die EU doch eingreifen wollen, geht es allerdings nicht an, dass die Haltung Deutschlands sich auf ein „Ohne mich“ beschränkt. Entweder ein europäischer Einsatz ist richtig – und dann gehört Deutschland dazu. Oder er ist falsch – und dann sollte er gar nicht stattfinden. DOMINIC JOHNSON