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Archiv-Artikel

Große Jungs für die Grundschulen

BERUFSWAHL Singen, Basteln, Kümmern – so sieht das Bild des Grundschullehrers aus. Aber die pädagogischen Herausforderungen sind deutlich vielfältiger. Mit dieser Erkenntnis möchte das Projekt „Schultandem“ der Uni-Hildesheim männliche Oberstufenschüler von dem Job mit den Kleinen überzeugen

VON BIRK GRÜLING

Um die Klischees von einer Welt aus Basteln, Ausmalen und Kümmern zu entkräften, braucht Martin Preisigke nicht lange. „Wenn ich erzähle, was wir im Englischunterricht alles machen, sind die meisten Leute erstaunt“, sagt der 24-Jährige und wirkt überzeugt von seinem Job. „Erste Schritte im Lesen und Schreiben, die Grundlage des Weltverständnisses – all das begleiten wir in den ersten Klassen.“

Für seinen Beruf als Grundschullehrer vor jungen Männern zu werben, daran ist der Referendar für Englisch und Sachkunde gewöhnt. Schon vor seinem Schuldienst in Wolfenbüttel sprach er regelmäßig auf Berufsinformationstagen. Und im vergangenen Herbst nahm er vier Zwölftklässler aus Hildesheim einfach mit an seine Schule.

Im Rahmen des Projekts „Schultandem“ zeigte er ihnen den Alltag und ließ die Oberstufenschüler vor den Kindern eine Englischstunde geben. Zur Vorbereitung erhielten sie erste Einblicke in Unterrichtsmethoden. „Die Rückmeldung der Jungs war positiv“, berichtet Preisigke. „Grundschule war vorher für sie keine Berufsoption, danach haben sie immerhin mit dem Gedanken gespielt und sich sogar um ein Praktikum gekümmert.“

Doch an eine Zukunft in der Primarstufe denken nur wenige Schulabgänger. So sind nur 13 Prozent aller dort tätigen Lehrer männlich, auch an der Uni-Hildesheim liegt die Studentinnenquote in diesen Fächern bei 80 Prozent. Für Hochschulpräsident Wolfgang-Uwe Friedrich ist das kein gutes Zeichen: „Die hohe Frauenquote in den Grundschulen spricht nicht für die Diversität im Bildungssystem.“

Historisch betrachtet, ist die Schieflage ein jüngeres Phänomen. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war der Lehrerberuf männlich dominiert. „Grund- und Volksschullehrer wurde immer mehr ein Aufstiegsberuf und damit für Frauen attraktiv. Auch die Situation in der Nachkriegszeit führte zu einer Erhöhung des Frauenanteils im Lehrerberuf“, erklärt Susanne Maurer von der Philipps-Universität Marburg.

Viele Männer waren im Krieg gefallen oder im Zuge der Entnazifizierung aus dem Schulen verschwunden. Frühpädagogik entwickelte sich nun zu einem begehrten Berufsziel für Frauen. „Gleichzeitig hat der Beruf an Prestige wieder verloren. Diese Entwicklung war sicherlich ein Rückschritt“, erklärt die Forscherin.

Lange bliebt dies gesellschaftlich akzeptiert, erst aktuelle Bildungsdebatten rief die Problematik auf die Agenda. Eine zentrale Frage dabei: Wirkt sich das Fehlen von männlichen Bezugspersonen auf die schulische Bildung und Sozialisierung der Kinder aus? Ähnlich wie bei dem Engagement für mehr Frauen in den Naturwissenschaften entstanden auch im Zuge dieser Debatte entsprechende Förderprojekte, unter anderem in Bremen.

In der Hansestadt gibt es mehr als 16 Grundschulen ohne männliche Lehrkräfte. Eine kurzfristige Lösung liefert das Projekt „Rent a teacherman“. Dabei unterrichten Studenten projektweise an Grundschulen oder begleiten Klassenfahrten. Ähnlich wie in Hildesheim versucht man außerdem ältere Schüler an die Grundschulen zu vermitteln, zum Beispiel für Arbeitsgemeinschaften.

Wie viele davon später Grundschullehrer werden, weiß keiner. Trotzdem ist man an der Uni Bremen mit der Resonanz zufrieden und will die Projekte fortsetzen. In Hildesheim gibt man sich mit Erfolgsmeldungen zurückhaltend: „Wir haben unsere Quote leicht erhöht, inzwischen sind es 15 Prozent männliche Erstsemester im Lehramt für Grundschulen“, so Friedrich.

Gegen die Berufswahl sprechen allerdings weiterhin die Rahmenbedingungen. Im Vergleich zu ihren Kollegen aus den Gymnasien sind Grundschullehrer schlechter bezahlt. Inhaltlich reizvolle Aufgaben, gleichzeitig aber geringe Karriereaussichten passen aus Sicht von Susanne Maurer kaum zur klassischen Rollenverteilung. „Das lang geprägte Bild des Ernährers und Karrieremannes geht damit nicht unbedingt konform.“

Für Preisigke spielen solche Gedanken kaum eine Rolle. „Als Grundschullehrer bin ich nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Erzieher, Berater und Moderator. Diese Kombination motiviert mich.“ Das entgegne er auch den jungen Männern, die ihn fragen, warum er denn nicht ans Gymnasium gehe.