Drastische Schritte gegen die Vogelgrippe

Nach den Toten in der Türkei reagiert die kurdische Regierung im Nordirak schnell. Hühner werden nicht mehr verkauft

SULEIMANIA taz ■ „Nein, nein, es gibt noch keinen Fall von Vogelgrippe“, sagt Dr. Jinan Kassem Ali. Ihre Worte klingen beinahe beschwörend. Anfang letzter Woche hatten kurdische Medien über erste Fälle von Vogelgrippe in der Kleistadt Silopi auf der türkischen Seite des irakisch-türkischen Grenzgebietes berichtet. Gleichzeitig meldete eine Zeitung, dass in der rund 250 Kilometer entfernten Stadt Rania ein Mädchen mit Verdacht auf Vogelgrippe gestorben sei.

Seitdem stehen bei der stellvertretenden Gesundheitsministerin von Suleimania, in deren Aufgabengebiet Rania fällt, die Telefone nicht mehr still. Immer wieder gibt sie besorgten Anrufern die gleiche Antwort: Das Mädchen sei nicht an Vogelgrippe, sondern an Lungenentzündung gestorben. Es gebe keinen Grund zur Beunruhigung, die Regierung habe alle nötigen Vorkehrungen getroffen, um den Ausbruch und die Übertragung der Tierseuche auf den Menschen zu verhindern.

Die kurdische Regionalregierung hat in der Tat sofort mit Maßnahmen reagiert, die drastischer kaum sein könnten. Im diesseits der türkisch-irakischen Grenze gelegenen Zakho wurden alle Hühner eingesammelt und verbrannt. Der Grenzhandel, mit dem sich kurdische Bäuerinnen aus der Türkei ein Zubrot verdienten, ist bereits seit Monaten verboten. Nun gilt das Handels- und Transportverbot auch innerhalb von Irakisch-Kurdistan. Das Gesundheitsministerium hat überall im Land Plakate und Handzettel verteilt. Die Radio- und Fernsehstationen erklären den Bürgern beinahe stündlich, wie sie sich vor einer möglichen Ansteckung schützen können.

Ein Rundgang im Basar zeigt, dass die Maßnahmen greifen. Die Rollläden vor den Geschäften der Geflügelhändler sind heruntergelassen. Die Käfige mit den Hühnern, Gänsen und Truthähnen sind verschwunden. Als wir an einem Imbiss nach Hühnerspießen fragen, schaut der Verkäufer, als hätte er es mit Verrückten zu tun. „Essen Sie bloß kein Huhn“, mahnt er. „Und auch keine Eier“, setzt er nach.

Er ist nicht der Einzige. Von den Menükarten der Restaurants sind alle Geflügelgerichte gestrichen. Sie habe bereits seit Monaten kein Huhn mehr gegessen, sagt eine Besucherin bei Dr. Jinan. Die Vorsicht sei etwas übertrieben, meint die Ärztin. Zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation habe Bagdad einen Krisenstab eingerichtet, in den auch die Provinzen eingeschlossen sind. Veterinäre nehmen landesweit Proben, Ärzte wurden geschult, und in den Kliniken wurden für den Ernstfall Quarantänestationen eingerichtet. Aber so seien die Kurden nun mal, sagt Dr. Jinan. „Sie gehen lieber auf Nummer Sicher.“

INGA ROGG