: Ich ist ein Amerikaner
G.I. DISCO Mit Swing und Rock ’n’ Roll liberalisierten die Soldatensender den deutschen Westen. Im Alliiertenmuseum kann man die Disco-Befreiung nachvollziehen
VON DETLEF KUHLBRODT
Wenn man an der FU studiert hat, ist eine Fahrt nach Dahlem immer wie eine Zeitreise. Automatisch steigt man am Thielplatz aus; automatisch geht man zum Institut für AVL im Hüttenweg, das hier schon lang nicht mehr ist. Zum Glück hat man kein Smartphone dabei und findet den Weg von selber ins Alliiertenmuseum in der Clayallee; man ist der einzige Raucher in der Gegend.
Vor dem Alliiertenmuseum eine Gruppe junger Leute, die auf Englisch alles erklärt bekommt und sich neugierig den Rosinenbomber anschaut, den man für 1 Euro besichtigen kann. Neben einem Rad des Flugzeugs stehen Blumen. Alles wirkt angenehm verschlafen und ein bisschen nostalgisch. Vielleicht auch um dem Eindruck des Nostalgischen entgegenzuwirken, hat das Alliiertenmuseum in Zusammenarbeit mit dem Berliner DJ-Duo G.I. Disco die Ausstellung „Von G.I. Blues zu G.I. Disco. Der ‚American Way of Music‘ in Deutschland“ konzipiert.
„Die GI-Kultur war die Blaupause für Klubkultur in Deutschland“, sagt Karsten Grossmann von G.I. Disco. „Die Ausstellung soll zeigen, dass das heutige Berlin oder Westdeutschland auf dem Fundament dieser multikulturellen Musik aufgebaut ist“, sagt Bernd von Kostka, der Kurator des Alliiertenmuseums.
Neu ist die Erkenntnis nicht. Nicht nur jeder 68er Roman, auch ältere CDU-Politiker erzählen gern davon, wie die Nachkriegsjugend in Deutschland durch die Musikprogramme der Soldatensender geprägt wurde; wie Swing, Blues, Rock ’n’ Roll via AFN und BFBS populär wurden, wie die Soldatensender Deutschland liberalisierten.
Die Ausstellung ist recht schön geworden. Im Dämmerlicht hat man das Gefühl, in einem begehbaren Dokumentarfilm zu sein. Andächtig schaut man auf die Feldjacke von Elvis Presley, ist erstaunt, dass Musiker wie Bata Illic, die man aus der Kindheit als Schlagersänger kannte, zunächst in amerikanischen Clubs ihr Geld verdient hatten; dass es deutsche Musiker waren, die in den Clubs der GIs aktuelle amerikanische Hits aufführten. Man staunt über die 40 Zentimeter breiten Schallplatten, die sowohl zur Aufnahme als auch zum Abspielen dienten, guckt sich die Bilder an; von den Clubs und den Leuten; grinst ein bisschen darüber, dass das „Resi“ in der Hasenheide sich „Ballhaus der Techniker von internationalem Ruf“ nannte, dass die Veranstaltungszeitung der amerikanischen Soldaten „What’s cooking in Berlin“ und ein berühmter Jazzclub „Badewanne“ hieß; und hat schließlich das Gefühl, die schöne Jukebox aus den frühen 70ern oder späten 60ern aus seiner Kindheit zu kennen.
Man hört viel Musik; das AFN-Jingle von den Andrew Sisters, Glenn Miller, den Antikriegssong „War“ von Edwin Starr, den seltsamen Song „Det war in Schöneberg“ (1967) der Spencer Davis Group, aber auch „The Power“ von Snap, „The Message“ von Grandmaster Flash oder „Drill Instructor“ von Captain Jack. Ein kleiner Raum ist in eine Minidisko verwandelt worden, in der man scratchen üben kann. Ein paar amerikanische Jungs sind ganz begeistert.
Stundenlang verweilt man bei den Interviews, in denen Zeitzeugen berichten. Lord Knut zum Beispiel, der legendäre Rias-Moderator und Plattenaufleger, sagt: „Weil ich 50 Jahre im amerikanischen Sektor aufgewachsen bin, bin ich logischerweise ein Amerikaner.“ Der mittlerweile 69-Jährige trägt eine Gürtelschnalle, auf der „Lord“ steht.
Ein Polizist erzählt, dass es manchmal Ärger gegeben habe, weil die amerikanischen Soldaten nur leichtes Bier gewohnt waren und weil ihre deutschen Freundinnen oft fremdgingen. Und dass die Militärpolizei bei Streitigkeiten um einiges härter durchgriff, als es deutschen Polizisten erlaubt war.
Irgendwo – da scheint die Ausstellung schon ein bisschen zu mäandern – gibt es ein kleines Interview mit Iggy Pop von 1977, in dem der Sänger komplett genervt ist von den Fragen über seine Beziehung zu David Bowie. Eine Frau, die bei dem Anschlag auf die Diskothek La Belle schwer verletzt wurde, erzählt von der schönen Stimmung in der Disko, von dem Anschlag und den traumatischen Folgen. Es gibt Plakate der Vietnamkriegsdemonstrationen aus den frühen 70ern, bei denen sich die, die über die Soldatensender sozialisiert worden waren, gegen ihre Lehrer wandten.
Auch wenn man das meiste, von dem die Ausstellung erzählt, kennt, ist es doch eine schöne Zeitreise, die in der Gegenwart endet. „Wir wollen hier zeigen, dass Musik alles verbindet“, sagt Daniel West von G.I. Disco. Man wundert sich allerdings ein bisschen, dass die Rolle, die GIs bei der Einführung von Drogen in Westdeutschland und Berlin spielten, nicht erwähnt wird. Als würde man sich für diese Kulturleistung mehr schämen als für den Vietnamkrieg.
■ Bis 27. April 2014, täglich außer montags von 10–18 Uhr. Der Eintritt ist frei