: Geheimdienst entlastet
Hat der sächsische Verfassungsschutz die NPD-Ausstiegswelle bewirkt? Die Geheimdienst-Kontrollkommission im Dresdner Landtag sagt Nein
AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH
Der sächsische Verfassungsschutz soll die NPD-Landtagsfraktion nicht aktiv demontiert haben. Einen Tag vor der heutigen Landtagsdebatte zu diesem Thema hat die Parlamentarischen Kontrollkommission den Verfassungsschutz einstimmig entlastet.
In der fünfköpfigen Kommission ist neben den Regierungsparteien CDU und SPD nur die Linksfraktion vertreten. In einer gemeinsamen Erklärung teilten die Geheimdienstkontrolleure mit, nur der Meißner NPD-Abtrünnige Mirko Schmidt, der vor Weihnachten als erster von drei Abgeordneten Partei und Fraktion verließ, habe sich im Sommer 2005 an das sächsische Innenministerium gewandt. Von dort wurde er ans Landesamt für Verfassungsschutz verwiesen. Keiner der drei Aussteiger soll je Mitarbeiter oder V-Mann des Geheimdienstes gewesen sein.
Etwas anderes hatte Verfassungsschutzsprecher Alrik Bauer im Dezember auch nicht behauptet. Beim Abgeordneten Klaus Baier war aber von „Begleitung“ bei seinem Ausstieg die Rede, die sich auf den Schutz seines Hauses vor angedrohten Übergriffen bezog. Der Sprecher erwartete jedoch bereits nach dem Austritt Schmidts weitere Aussteiger. Diese Aussage deckte sich mit späteren taz-Informationen aus Sicherheitskreisen, dass es sich um eine „konzertierte Aktion“ gehandelt habe, von der die Verfassungsschützer zumindest informiert waren.
Allzu offenkundiger Stolz der Behörde hatte den Verdacht genährt, der Verfassungsschutz als Regierungsbehörde habe seine Befugnisse weit überschritten und in parlamentarische Verhältnisse eingegriffen. Am lautesten äußerte ihn erwartungsgemäß die NPD-Restfraktion, die das Innenministerium mit parlamentarischen Anfragen überschüttete. Doch auch die Linksfraktion witterte einen illegalen Eingriff des Geheimdienstes. Noch am Dienstag hatte die Abgeordnete Kerstin Köditz als Antifa-Expertin von „dubiosen Methoden“ und einem „erheblichen finanziellen Aufwand“ des Verfassungsschutzes gesprochen.
Umso erstaunlicher wirkt das Einvernehmen in der Kontrollkommission. Allerdings kritisieren die Mitglieder die Informationspolitik des Innenministeriums. Missverständnisse und Irritationen hätten vermieden werden können, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer André Hahn von der Linksfraktion, auf dessen Initiative hin das Kontrollgremium tagte. Den „behaupteten Skandal“ habe es nicht gegeben, stellte jedoch auch Hahn fest.
Die drei Aussteiger wiesen im Gespräch mit der taz jeden Verdacht auf Geheimdienstmitarbeit von sich und lenkten ihn vielmehr auf Spitzenfunktionäre der Partei. „Welchen Sinn sollte unser Ausstieg zu diesem Zeitpunkt machen?“, fragt Klaus Baier. Wenn man eine Partei kontrollieren wolle, werbe man Führungsleute an. Schmidt und Baier wollen von den Austrittsabsichten des Leipzigers Jürgen Schön unmittelbar vor Weihnachten nichts gewusst haben. Ihre Schritte seien nicht koordiniert gewesen.
Im Landtag sind die drei fraktionslosen Abgeordneten nun hinter ihren früheren NPD-Kollegen platziert. Schmidt und Baier haben sich der bislang kaum bekannten Freiheitlichen Partei FPD angeschlossen. Kerstin Köditz von der Linkspartei hält diese ebenfalls für rechtsextrem. Man könne nicht von einem Ausstieg, sondern bestenfalls von einem Umstieg sprechen.