„Der Gesetzentwurf widerspricht EU-Recht“
Die EU fordert Information für Landwirte und Verbraucher. Die ist stark eingeschränkt, sagt Expertin Mute Schimpf
taz: Frau Schimpf, was bedeutet Seehofers Entwurf für die Bauern und Verbraucher?
Mute Schimpf: Die Bundesregierung wollte die EU-Richtlinie eins zu eins umsetzen. Das hat sie nicht getan. Die Landwirte und Verbraucher müssen informiert werden. Das fordert auch die EU. Doch dieser Entwurf widerspricht dem EU-Recht.
Inwiefern?
Nach der neuen Richtlinie kann es passieren, das Landwirte nicht mal mehr darüber informiert werden, ob ihr Saatgut gentechnisch verunreinigt ist. Und wenn der Bauer nicht weiß was auf den Feldern wächst, wird es auch schwierig mit der Haftung.
Grundsätzlich muss doch aber informiert werden, oder?
Ja, aber sobald irgendwelche Ermittlungsverfahren laufen, sei es wegen einer Straftat oder auch nur wegen eine Ordnungswidrigkeit, muss nichts mehr veröffentlicht werden. Und im Grunde könnten die Unternehmen auch sagen, alle Pflanzen unterlägen dem Patentrecht. Mit dieser Argumentation müssten sie schon nicht mehr informieren.
Welche Konsequenzen hätte dies Gesetz, wenn es verabschiedet würde?
Dieses Gesetz kann existenzbedrohend sein. Wenn Landwirte nicht mehr sicher sein können, was sie anbauen, kann das sehr teuer werden. Im Jahr 2000 wurden zum Beispiel in den USA ein Prozent der Flächen mit einem genmanipulierten Mais bebaut. Die Pflanze war nur als Futtermittel zugelassen, weil nicht abschließend geklärt war, ob der Mais Allergien auslöst. Unabhängige Labors haben dann aber Spuren in Chips gefunden. Noch immer weiß niemand genau, wie die Verunreinigungen zustande kamen. Die Rückrufaktion hat auf jeden Fall eine Milliarde US-Dollar gekostet. So was kann bei uns auch passieren – vor allem wenn bald mehr Landwirte Gentechnik einsetzen. Das ist ja auch eines der Ziele des Gesetzes.
Warum bringt Seehofer einen solchen Entwurf eigentlich ein?
Dafür habe ich keine Erklärung. Von Seiten der Industrie wird schon lange versucht die Haftung zu minimieren und die Standards in den einzelnen Ländern zu unterlaufen. Dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
INTERVIEW: MIRJAM MEINHARDT