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Archiv-Artikel

Hoffnung auf Wahrheit

betr.: „Unter sich bleiben leicht gemacht“ von Mark Terkessidis, taz vom 24. 1. 06

Hiermit möchte ich mich in höchstem Maße über die Bildunterzeile auf Ihrer Seite 15 (kultur) brüskiert zeigen. Nachdem mich mein bester schwuler Friseur-Freund mit der taz in der Hand heute empört besuchte und mir vorwarf, ich hätte ihn sein halbes Leben lang über meine Herkunft belogen, muss ich auf Klarstellung drängen. Er glaubt nämlich, dass die taz immer die Wahrheit schreibt.

Dass es sich bei den abgebildeten Personen um „junge Menschen“ handelt, mag ja noch durchgehen (obwohl wir uns damals sehr, sehr alt fühlten), aber die Mutmaßung, es handele sich um Bürgerkinder, ist vollkommen gemissmutmaßt, darum muss ich dem hiermit vehement widersprechen. Ich, der dritte von links, wurde nachweislich von einem ekelhaft stalinistischen Proletarier gezeugt, was allerdings auch seine gute Seite hatte, weil ich sonst kaum mit 15 Jahren bei den St. Pauli Nachrichten und später bei dem Fotografen des Bildes gelandet wäre, der im Übrigen die Aufnahmeserie für besagtes Blatt im Jahre 1970 (nix 1967!) inszeniert hatte, und zwar in einem der vollkommen heruntergekommenen Häuser im Besitz eines damals sich als „APO-Anwalt“ profilierenden Bürgers der BRD. Bei der Dame rechts neben mir handelt es sich zwar um ein ursprüngliches „Bürgerkind“, aber auch um meine damalige Freundin und eine bekennende Fixerin. Mit etwas Kenntnis der Materie hätten sie wissen können, dass es damals unter der Würde jedes Morphinisten lag, „Hasch“ auch nur anzufassen.

Um mir weitere zu erwartende empörte Anwürfe seitens meines FreundInnenkreises zu ersparen, fordere ich Sie hiermit dringendst auf, die Sache klarzustellen. Wäre ich als „Bürgerkind“ bei den St. Pauli Nachrichten gelandet, wäre ich heute Chefredakteur des Spiegels (kann belegt werden), und nicht auf Hartz IV. Trotz alledem ist es schön gewesen, mal wieder ein altes Röhrenradio zu sehen, wenn auch auf einem sehr schlecht reproduzierten Foto.

Da ich leider nichts über den richtig guten Artikel von Mark Terkessidis zu meckern habe, schließe ich hiermit ab, in der Hoffnung auf Wahrheit. MANFRED SCHOLL, Hamburg