Plaudernde Preisträger
: Klug & trostlos: Autor im Theater

„Abtrünnig“, heißt der Roman, für den Reinhard Jirgl gestern mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Es ist ein unruhiger Text, mit Verweisen in kleinen Kästen auf der Seite, mit einer eigenwilligen Orthographie, die zwischen „Einsamkeit“ und „1samkeit“ unterscheidet. Ein kluger, zuweilen trostloser Text.

Kurzum: man hätte einen zurückhaltenden Autor vermutet, der sich der Preisträger-Lesung am Mittwochabend in den roten Ledersesseln im Schauspielhaus mehr aus Pflichtgefühl denn aus Neigung unterzieht. Tatsächlich erwies sich Reinhard Jirgl als durchaus plauderig, und es hätte nicht einmal des Geschicks des Moderators Lothar Müller bedurft, um ihn über seine Vergangenheit sprechen zu lassen: Die Zeit als Ingenieur, das Bedürfnis, diesem Nicht-Herzensberuf „etwas entgegenzusetzen“, das schließlich zum Schreiben geführt hat. Jirgl formulierte mit einem Hauch Altmark in der Stimme Begriffe wie „Biographien aus dem Geist des Krieges“ und dann las er ebensolche aus seinem Roman: „Was wissen wir schon, an welchen Stricken wir am Leben hängen?“.

Svenja Leiber, die für ihren Erzählband „Büchsenlicht“ den Förderpreis bekommen hat, war nicht ganz so plauderig wie Jirgl. Die Frage, ob sie sich als Schriftstellerin bezeichnen würde, lud auch nicht zu langen Antworten ein. Sie nahm es souverän – „nach einem Erzählband anmaßend“ – las dann aus den zwei gleichermaßen geglückten Erzählungen vor. Wer Sätze wie „Der Mai war so grün, dass man sich hätte wälzen können“ schreibt, und „Heinrich starb laut im Bauernzimmer“, ist erhaben über die Fragen des Moderatorenvolks. grä