„Judeophobie“ ist ehrenrühriger Begriff
Frankurter Gericht untersagt dem jüdischen Autor Broder, den jüdischen Verleger Melzer einen Antisemiten zu schelten
FRANKFURT/M. taz ■ Mancher Fall macht auch einem geduldigen Zivilrichter zu schaffen. Der Vorsitzende Richter der Pressekammer des Frankfurter Landgerichts, Frowin Kurth, sah sich gestern in der misslichen Situation, entscheiden zu sollen, ob ein Jude ein Antisemit sein kann und als solcher von einem anderen Juden gescholten werden darf. Er verweigerte sich dem Ansinnen und entschied im Konflikt der ehemals befreundeten Kombattanten, des jüdischen Verlegers Abraham Melzer und des jüdischen Autors Hendrik M. Broder, dass Broder schlicht die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten habe. Die Gerichtskosten verteilte er relativ gleichmäßig.
Broder hatte das bei Melzer in kleiner Stückzahl erschienene Buch des KZ-Überlebenden Hajo Meyer, „Das Ende des Judentums“, auf seiner Internetseite verrissen und Meyer, der darin heftige Kritik an der Politik des Staates Israel übte, vorgeworfen, er sei ein traumatisierter „Berufsüberlebender“, leide an Selbsthass und sei „eine Kapazität für angewandte Judeophobie“. Verleger Melzer unterstellte er Geschäftemacherei mit dem Antisemitismus: „Mein Freund Abraham (Abi) hat da eine Lücke entdeckt, die er fleißig mit braunem Dreck füllt.“
Dagegen hatte Melzer eine einstweilige Verfügung erwirkt, die von Broder angefochten worden war. Der „braune Dreck“ sei, so das Gericht, eindeutig ehrenrührig. Der Vorwurf des Antisemitismus impliziere „nationalsozialistische Gesinnung“ und somit das Gutheißen der „an Juden begangenen Verbechen“ und sei deshalb „aufgrund des historischen Bedeutungsgehaltes in Deutschland“ generell nur als „negativ und diskreditierend“ zu verstehen.
Was „Judeophobie“ sei, hatte Richter Kurth erst nachschlagen müssen. Er zitierte gestern den Großen Duden: „krankhafte Angst“ vor den Juden, synonym mit „Antisemitismus“. Auch dies sei herabsetzend und diffamierend und dürfe von Broder, so das Urteil, fürderhin nicht mehr öffentlich behauptet werden.
Beide Äußerungen seien persönliche Angriffe, die die „Grenze zur Schmähkritik“ überschritten hätten, „weil es „nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht“, so der Richter.
Dagegen wertete er die Überschrift der Broder’schen Polemik gegen eine Buchpräsentation von Melzer und Meyer in Leipzig – „Holo mit Hajo – Wie zwei Juden für die Leipziger den Hitler machten “ – nicht als strafbar. Die Formulierung sei zwar „drastisch überzogen“, aber für das „unvoreingenommene und verständige Publikum“ sei deutlich zu erkennen, dass sie nur Aufmerksamkeit habe heischen wollen, aber kein „tatsächlicher Vergleich“ des Klägers „mit dem Handeln und Wirken des Massenmörders im Dritten Reich“ sei.
Melzer erklärte gestern, er sei mit dem Urteil zufrieden. Broder konstatierte gegenüber der taz: „Zwei zu null für Melzer. Er hat das Vorspiel gewonnen.“ Der Streit werde aber weitergehen. Der tobt indessen im Internet mit wachsender Beteiligung weiter und wird noch eine Anzahl bundesdeutscher Gerichte beschäftigen. HEIDE PLATEN