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Archiv-Artikel

Schule ohne Erlassdickicht

Mehr Englisch, weniger Noten – bitteschön: In Niedersachsen sind sich Regierung wie Opposition einig, dass Schulen eigenständiger und damit besser werden sollen. Bei den Details gibt’s Streit

Von Kai Schöneberg

Als Niedersachsen im vergangenen Jahr 130 Schulen testweise freistellte, selbst über Lehrpläne oder die Dauer der Schulstunden zu entscheiden, war der Hohnpegel groß: „Das Auto fliegt aus Kurve“, warnte der Philologenverband und vor „überzogenem Reformtempo“, die GEW fand den Freiraum der so genannten eigenverantwortlichen Schulen schlicht „läppisch“, die SPD freute sich über einen „Flopp“, weil der eigenverantwortliche Kultusminister Bernd Busemann (CDU) nicht die angepeilte Zahl an Versuchsschulen zusammenbekam.

Im Prinzip sind sich aber alle einig, dass Schule eigenverantwortlicher und damit besser werden soll. „Es erleichtert die Diskussion in der Öffentlichkeit, wenn klar ist, dass Regierung und Opposition in dieser Grundfrage keinen Streit haben“, sagte Busemann am Freitag, nachdem die SPD ihren Gesetzentwurf vorgestellt hatte. Und: Es sei ja so „erfreulich“, dass die Sozen auch bei der Stärkung der Schulleiter und der Übertragung dienstrechtlicher Befugnisse auf sie so schön mitzögen.

Ganz so meint es die SPD aber nicht. „Man muss das Top-down-Prinzip zu den Akten legen“, hatte Fraktionschef Wolfgang Jüttner gesagt. Und die Stärkung von Schulleitern und Gesamtkonferenz gefordert. Die große „Bremse“ im Schulalltag sei das busemannsche „Erlassdickicht“, findet Jüttner. Deshalb: Weg mit den gängelnden Minister-Erlassen, hin zu mehr Freiraum finden SPD, FDP und Grüne – und auch Busemann selbst.

Schulen sollen laut SPD selbst entscheiden, mehr Englischunterricht anzubieten. Auch möglich ist, Noten abzuschaffen. „Die Kollegien sollen sagen können: Wir nehmen den und den Erlass raus“, sagt die SPD-Schulexpertin Ingrid Eckel. Voraussetzung: Die Vergleichbarkeit der Bildungsstandards muss weiter gegeben sein.

Mehr Freiräume, aber nicht so große Macht für die Leiter und Leiterinnen der 3.700 Schulen im Land wie ursprünglich geplant sieht der busemannsche Entwurf vor, der ab dem Schuljahr 2007/08 umgesetzt werden soll. Danach soll weiter die Gesamtkonferenz einer Schule sowohl bei Finanzen als auch beim pädagogischen Konzept das letzte Wort haben. „Eine Alleinmacht rund um den Haushalt ist nicht so gut“, sagt der Minister. Zwar werden die Schulleiter erstmals die direkten Vorgesetzten der Lehrer, die komplette Personalverantwortung für Anwerbung und Neueinstellung sollen die Direktoren aber nicht vor 2013 bekommen. Wenn die Schulbehörde die Lehrer nicht mehr verteilen könne, sieht Busemann die Gefahr, dass Schulen auf dem platten Land leer ausgingen.

Den Grünen sind die Vorstellungen von CDU wie SPD zu dirigistisch. „Wir fordern eine paritätisch mit Lehrern, Schülern- und Elternvertetern besetzte Gesamtkonferenz, die über die Geschicke der Schulen bestimmt, nicht der Rektor allein“, sagt die grüne Schulexpertin Ina Korter. Ein eigener Vorschlag sei in Planung.