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Archiv-Artikel

„Wir liegen sehr weit auseinander“

Vorstandsmitglied Lucy Redler hält den eigenständigen Wahlantritt der WASG für wahrscheinlich. In der Opposition könne man Widerstand besser mobilisieren – und bei Zwangsumzügen durch Hartz IV notfalls die Straße blockieren

taz: Frau Redler, die WASG tritt zur Wahl eigenständig an, so die Botschaft der Konferenz. Überrascht Sie die Einhelligkeit?

Lucy Redler: Eins vorab: Wir haben die Frage des Wahlantritts immer an inhaltliche Bedingungen geknüpft – nämlich daran, ob die Linkspartei ihre Sparpolitik beendet oder nicht. Für mich war neu, dass der Kurs eines eigenständigen Antritts so viel Solidarität von außen findet. Mitglieder aus dem Bundesgebiet und Vertreter anderer Organisationen haben uns Unterstützung versprochen, falls wir allein antreten. Ich halte dies für wahrscheinlich: Die Linkspartei ist kein Stück von ihrem Sparkurs abgerückt. Ich bin skeptisch, dass sie dies in den vier Wochen bis zu unserer Urabstimmung tut.

Kritiker sagen, das Podium sei absichtlich mit erklärten Linkspartei-Gegnern besetzt worden. Stimmt das?

Das ist Unsinn. Wir haben die Linkspartei eingeladen mitzudiskutieren. Sie hat aber leider abgelehnt. Auch Befürworter einer gemeinsamen Kandidatur innerhalb der WASG wollten sich nicht aufs Podium setzen.

Auf der Konferenz waren vor allem WASG-Aktivisten. Ist die Stimmung bei der Basis ähnlich?

Ich glaube, der Trend bei der Urabstimmung wird in Richtung eines eigenständigen Antritts gehen. Allerdings hängt viel davon ab, wie die geplanten Gesprächsforen mit der Linkspartei laufen. Das wird noch spannend.

Sind die Gespräche vor diesem Hintergrund nur Schauveranstaltungen?

Sie sind vor allem die erste inhaltliche Auseinandersetzung, bisher hat da ja nichts stattgefunden. Wer sich allerdings die Thesenpapiere anschaut, wird feststellen, dass WASG und Linkspartei sehr weit auseinander liegen. Auch im Alltag zeigt sich das immer wieder: Wenn die Charité-Beschäftigten auf einer Versammlung die Senatskürzungen diskutieren, wird Wissenschaftssenator Flierl beschimpft – und wir stehen ein paar Meter weiter und verteilen Soli-Flyer. Die stehen in diesem Konflikt einfach auf der falschen Seite.

Stiehlt sich eine Partei nicht aus der Verantwortung, wenn sie strikt auf Opposition setzt?

Nein. Im Gegenteil: Die Linke macht sich unglaubwürdig, wenn sie die „Politik des kleineren Übels“ vertritt – und sich dabei, wie die Linkspartei, zur Mittäterin macht. Ich teile keine einzige inhaltliche Position der SPD, wie kann ich dann mit ihr zusammenarbeiten? Vor dem Hintergrund der jetzigen Kräfteverhältnisse kann eine Oppositionspartei Widerstand besser mobilisieren als ein Juniorpartner in einer Regierung.

Wie das?

Sie bleibt glaubwürdig. Ich wage mal eine Prognose: Wenn es bald zu den ersten Zwangsumzügen wegen Hartz IV kommt, wird niemand von der Linkspartei protestieren. Wir aber werden auf die Straße gehen und, wenn nötig, den Möbelwagen blockieren.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE