: „Das Göttliche ist immanent“
VORTRAG „Hex And The City“ beleuchtet Ursprünge, Leben und Wirken neuzeitlicher Hexen
■ 42, ist promovierte Ethnologin und arbeitet an der Uni Göttingen im Forschungsprojekt: „Die neuheidnische Hexenreligion im urbanen Kontext – eine ethnografische Studie“.
taz: Frau Hegner, Ihr Vortrag beschäftigt sich mit neuheidnischer Hexenreligion im urbanen Kontext. Was haben denn Hexen mit Urbanität zu tun?
Victoria Hegner: Viel mehr als man denkt, denn die meisten Hexen sind Städterinnen und Städter.Das hat viel damit zu tun, dass sie in Städten auf größere Liberalität und Akzeptanz stoßen – auf dem Land sagt man ihnen oft noch nach, dass sie den „bösen Blick“ hätten.
Wie kann man sich eine Hexe vorstellen?
Hexen begreifen sich als Nachfahren der weisen Frauen und Männer, die während der Inquisition verbrannt worden sind. Anhängerinnen und Anhänger der neureligiösen Wicca-Bewegung bezeichnen sich beispielsweise als Hexen. Sie verehren die Natur, sie ist für sie beseelt, das Göttliche ist immanent. Selbst eine Straßenbahnhaltestelle ist göttlich.
Eine Haltestelle hat aber nicht gerade viel mit Natur zu tun ...
Alles ist göttlich durchdrungen. Aber es stimmt schon: In der Stadt weichen Hexen für ihre Rituale sehr gern in große Parks aus.
Was sind das für Rituale?
Das geht von Naturritualen wie Schamanismus bis hin zur Liebemagie. Aber man darf nicht vergessen, dass die spirituellen Inhalte bei vielen neuzeitlichen Hexen in Deutschland erst ziemlich spät Einzug gehalten haben – bis in die 80er-Jahre hinein war „Hexe“ ein politischer und vor allem feministischer Kampfbegriff.
Ein Kampfbegriff, oder wurden die Frauen als „Hexen“ beschimpft?
Die Frauen haben sich selbst so genannt: Als 1977 in Italien eine Frau überfallen und vergewaltigt wurde und der Täter eine sehr milde Strafe erhielt, haben sich die Frauen aus Protest als Hexen verkleidet und sind auf die Straßen gezogen. Das schwappte dann nach Deutschland rüber, wo Hexen in der Walpurgisnacht gegen Vergewaltigung und für Frauenrechte demonstrierten.
Wie viele Hexen gibt es in Deutschland?
Das kann man nur grob sagen. Es gibt geschätzt zwischen zwei- und achttausend, in Berlin ungefähr vierhundert. INTERVIEW: SCHN
19 Uhr, Uni, GW2, Raum B 3009