KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Ursprünglich war die Kunstbiennale von Venedig eine Verkaufsausstellung. Über die Jahrzehnte entwickelte sie sich dann zur weltgrößten Kunstausstellung überhaupt, auf der Verkäufe nur mehr oder weniger im Hintergrund verhandelt werden. Dort aber umso massiver. Der Kurator der diesjährigen 55. Internationalen Kunstausstellung, Massimiliano Gioni, versucht mit der Überpräsenz von Kunstmarktkunst nun zu brechen und füllt die Hallen mit Fantasien und Basteleien von den derzeit so beliebten Outsiderkünstlern. Egal welche konzeptuelle Ausrichtung die Biennale hat, während der Preview bleibt sie vor allem Kontakthof der Kunstszene und gehört in den Jahreskalender der Galerien, auch wenn in diesem Jahr nicht direkt weiter zur Messe nach Basel gefahren werden kann. Interessant scheint die Biennale aber auch für den Galeristennachwuchs. Heike Tosun von Soy Capitán, Thomas Fischer und Tanja Wagner fuhren in diesem Jahr spontan und zum ersten Mal während der Eröffnungstage nach Venedig, um auch dort auf ihre aktuellen Ausstellungen in Berlin aufmerksam zu machen. Die Künstlerin Šejla Kameri aus Bosnien-Herzegowina präsentiert ihre neue 4-Kanal-Videoinstallation „Shift“. Freiwilligkeit ist das Thema und wie sie uns ermuntert, nicht nur Stress und Anstrengungen auf uns zu nehmen, sondern sogar Schmerz oder Erniedrigung zu ertragen. Doch stellt sie auch die Frage, ob Freiwilligkeit und freier Wille noch deckungsgleich in einer Gesellschaft sind, die auf Effizienzoptimierung und Profitmaximierung geeicht ist. (bis 15. Juni, Mi.–Sa., 11–18 Uhr, Galerie Tanja Wagner, Pohlstr. 64) Dirk Braeckmans Fotografien verströmen eine verhaltene Eleganz. Schwarz-weiß, kontrastarm, unklar in Motiv und Ausschnitt. Der Belgier arbeitet nicht allein an seinen Fotos, auch die Zeit wirkt mit. Denn die belichteten und entwickelten Analogfilmrollen verschwinden schon mal für ein paar Jahre in der Schublade, um das fotografierte Bild von Zeitpunkt und Situation der Aufnahme zu entfremden. Diese Unberechenbarkeit schreibt sich in die Bilder ein wie ein flüchtiger Hauch. (bis 15. Juni, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Galerie Thomas Fischer, Potsdamer Str. 77–87, Haus H) Die Aktionskünstlerin Klara Hobza taucht ab. Nicht in venezianische Kanäle, sondern in die Binnenschifffahrtswege zwischen Nordsee und Schwarzem Meer. Das hätte sie fast das Leben gekostet: Im Rhein kam sie einer Schiffsschraube gefährlich nahe. „Der Totale Horror“, ihre Ausstellung, präsentiert Aufnahmen ihrer Helmkamera, aber auch den nicht zähmbaren Wunsch, die Grenzen des Möglichen hinter sich zu lassen. (bis 29. Juni, Mi.–Sa., 12–18 Uhr, Galerie Soy Capitán, Prinzessinnenstr. 29)