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Archiv-Artikel

Der Mann, der klagt

Walter Traube ist der Hoffnungsträger für die Gegner des Atommüll-Endlagers im Schacht Konrad. Als einziger Privatier zieht der Salzgitter Landwirt Ende Februar beim entscheidenden Prozess gegen das Land Niedersachsen vor das Oberlandesgericht

von Kai Schöneberg

„Jede Kokille hat einen Strahlungswert von 200.000 Curie. Die Strahlung ist so hoch, dass Sie bereits tot wären, wenn Sie diesen Text in einem Meter Abstand auf einer richtigen Kokille lesen würden“

(Auf einem Kokillennachbau im Konrad-Haus in Bleckenstedt)

Auch Walter Traube ist dafür, dass der deutsche Atommüll endgelagert wird. „Irgendwo muss er hin“, sagt der Bauer aus Salzgitter-Bleckenstedt. „Aber deshalb muss er nicht irgendwohin“. Weil “irgendwo“ für Traube der etwa 1.000 Meter unter seinen Äckern liegende Schacht Konrad bedeutet, ist der 42-Jährige für die Endlager-Gegner der Region zur Gallionsfigur geworden. Traube, ein quirliger Mann in der 1,75 Meter-Liga, hat nicht nur Hände, die von der Feldarbeit schwielig sind. Er kann auch ganz gut reden. Und so wählte ihn die Schar der Endlager-Gegner aus, als einziger Privatmann gegen das Endlager zu klagen.

Am 28. Februar und am 1. März findet der Showdown vor dem Oberlandesgericht (OVG) in Lüneburg statt. Konrad ist erkundet und planfestgestellt. Konrad ist das erste genehmigte Endlager für Atommüll in Deutschland, wenn nicht sogar weltweit. Nur noch der OVG-Termin steht wohl der Lagerung von 303.000 Kubikmetern schwach Wärme entwickelndem Atommüll entgegen. „Das letzte Wort haben die Gerichte“, sagt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der selbst mal gegen Konrad demonstriert haben soll. Gabriels Wahlkreis liegt in der Region, in seine Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen fällt auch die Genehmigung.

„Wer kauft dann noch meine Erdbeeren und Zuckerrüben?“, fragt Traube. Und: „Wer kauft noch meinen Hof, wenn darunter ein Endlager ist?“ Dabei möchte er das schmucke Gehöft aus dem Jahr 1864, das gut 500 Meter vom Förderturm entfernt liegt, gerne an die Kinder weitergeben, „wie ich es von meinem Vater bekommen habe“. Auch das mit den schwach strahlenden Krankenhaus-Abfällen hält Traube „für so eine Sache. Das sind ja nur drei Prozent des gesamten Mülls. Der Rest sind abgewrackte Atomkraftwerke.“

Traube ist keineswegs allein. Da sind die 289.347 Einwendungen, die die Gegner 1991 per Treckerkorso nach Hannover fuhren. Am ersten Verhandlungstag stehen auch die Klagen der Gemeinden Lengede und Vechelde sowie der Stadt Salzgitter an, am zweiten Tag wird „Traube - Niedersächisches Umweltmininisterium“ an der Tür vor dem Sitzungssaal zu lesen sein. In dem Verfahren geht es darum, den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2002 zu kippen. Die Anwälte werden das Wasserrecht anführen, alternative Standortsuche und Langzeitsicherheit einfordern und bemängeln, dass die damaligen CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und Angela Merkel die Frage des Mülltransports aus der Genehmigung ausgeklammert haben. Den Kommunen geht es auch darum, dass sie künftig in der Region nur noch beschränkt Gewerbegebiete ausweisen können.

Die Argumente, die im Prozess eine Rolle spielen könnten, sind für Traube gar nicht so ausschlaggebend: Ihn sorgt die Schacht-Abluft, die eines Tages aus so genannten „Diffusoren“ in die Luft geblasen werden soll: „Entspricht der Grenzwert, der heute gilt, auch noch dem Stand der Forschung in 30 Jahren?“, fragt Traube. Außerdem wisse niemand, wie sich die Abluft mit der des nahen Stahlwerks vertrage.

„Die Abluftschächte stehen auf unserem Betriebsgelände“, sagt Björn Harmening, IG-Metaller vom VW-Werk in Salzgitter. Auch ihn stört nicht nur der Umwelt-Aspekt. Ein Endlager unterm Hintern sei „ja nicht gerade ein Standortvorteil, um den Vorstand zu Investitionen bei uns zu locken“, sagt Harmening. Noch arbeiten im Motorenwerk 6.800 Kollegen.

Nur gut zehn Jahre wurde im Schacht Konrad, der nach Konrad Ende, dem ehemaligen Chef der Peine-Salzgitter AG, benannt ist, tatsächlich Erz abgebaut. Als die Förderung 1978 aus Kostengründen eingestellt wurde, hatte der damalige Schacht-Betriebsrat die Idee, dort ein Endlager zu errichten. 1982 startete die Planfeststellung und es begann ein unrühmliches Ping-Pong zwischen dem Bund als Besitzer und dem Land als Genehmigungsbehörde - jeweils befeuert von unterschiedlichsten politischen Konstellationen.

Vor dem alles entscheidenden Termin herrscht große Nervosität in Bleckenstedt. Es ist ja auch jede Menge Geld im Spiel. Ein Rechtshilfefonds hat etwa 100.000 Euro für die große Schlacht vor dem OVG gesammelt. Auch eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wäre noch zu stemmen. Allerdings: Wenn eine Gutachterschlacht beginnt, könnte den Gegnern vielleicht auch die Luft ausgehen - beide Seiten meinen derzeit, dass es nicht beim Termin in Lüneburg bleibt.

Und wenn es schief geht? „Wenn wir nicht geklagt hätten, hätten wir schon längst was drin“, macht sich Bauer Traube Mut. Und: „Wenn’s nicht in Schacht Konrad kommt, vielleicht nimmt es Herr Sander ja in seinen Keller“.

Infos: www.ag-schacht-konrad.de