: Die Briefkastenfirma und der explosive Bericht
Der einstige Kenia-Vertreter von Transparency International enthüllt die Korruption der Regierung, in der er selbst saß
NAIROBI taz ■ Für Transparency International ist Kenia schwierig. Als 2002 Präsident Mwai Kibaki mit dem Versprechen der rigorosen Bekämpfung von Korruption ins Amt gewählt wurde, erhielt der lokale Transparency-Chef John Githongo den Posten des Antikorruptionsbeauftragten mit einem Büro im Präsidentenpalast. Kenia wurde von Transparency International zum Vorzeigeland der Ausmerzung von Korruption erklärt.
Doch heute könnte Kenia das erste Land in Afrika sein, dessen Regierung wegen Korruption stürzt. Gestern trat Finanzminister Davis Mwiraria zurück - der erste mehrerer Minister, die wegen einer gigantischen Korruptionsaffäre am Pranger stehen. Am Dienstag strich bereits die Weltbank Kredite in Höhe von 260 Millionen Dollar für Kenia.
Vor einem Jahr hatte Githongo seinen Job gekündigt und war aus Angst um sein Leben ins britische Exil gegangen. Von dort aus hat er letzte Woche in einem Bericht über den größten Korruptionsskandal der Regierung Kibaki ausgepackt. Der „Anglo Leasing“-Skandal füllt nun täglich Zeitungen, Fernsehen und Radio in Kenia. Es geht um Staatsaufträge im Wert von 200 Millionen Dollar für fälschungssichere Pässe sowie Labors und Computer für Kenias Polizei.
„Anglo Leasing“ bekam den Auftrag, obwohl es nur eine Briefkastenfirma ist. Das Geld wurde gezahlt, aber nichts oder kaum etwas wurde geliefert. Wie inzwischen bekannt ist, sollten die Zahlungen an „Anglo Leasing“ als Schmiergelder zurück in die Politik fließen. Oppositionspolitiker mussten gekauft werden, um für eine neue Verfassung zu werben. Auch der Wahlkampf 2007 brauchte Geld.
Erst als Zeitungen 2005 Kenias Vizepräsident und die Minister für Justiz und Sicherheit der Verwicklung in der Affäre beschuldigten, wurde der Großteil des Geldes zurücküberwiesen. Zwei Beamte wurden gefeuert. Die Regierung hoffte, dass der Skandal in Vergessenheit geraten würde.
Doch nun kehrt der Korruptionsskandal zurück. Im Rapport von Githongo werden Regierungsmitglieder beschuldigt, schon wenige Tage nach Amtsantritt mit dem „Anglo Leasing“-Schwindel begonnen zu haben. Githongo blieb aber zwei Jahre Teil des Regimes. „Durch die Nähe der Macht wird man hineingezogen“, entschuldigte sich der einstige Transparency-Chef vorige Woche. Er blieb zu lange auf seinem Posten – aus Naivität und aus Überzeugung, dass er etwas ändern könnte.
Momentan überlegt sich Githongo, ob er in Kenia mündlich seinen Rapport erklären soll. Eine Parlamentskommission und auch die Regierung haben ihn eingeladen. Aber die Partei LDP, bis Ende 2005 Koalitionspartner der Regierung, hat ihn gewarnt, dass er wahrscheinlich verhaftet und des Hochverrats beschuldigt wird, sollte er nach Kenia zurückkehren. „Einige Minister in dieser Regierung werden alle Mittel einsetzen, um ihr politisches Leben zu retten“, meint ein LDP-Parlamentsmitglied. „Das Problem in Kenia ist, dass wir beinahe alles über Korruption wissen, dass sie aber trotzdem straflos bleibt“, meint Maina Kiai, Vorsitzender der nationalen Menschenrechtskommission.
Für Transparency International ist das wechselvolle Schicksal Githongos ein Lehrstück. Als Githongo zur Regierung ging, wurde die Arbeit schwierig. Githongos Nachfolgerin als Transparency-Vertreterin, Gladwell Otieno, kündigte rasch und eine Zeit war die Organisation ziemlich steuerlos. Aber jetzt, unter Führung von Mwalimu Mati, einem guten Freund von Githongo, scheint Transparency International ihre Wächterfunktion in Kenia wiedergefunden zu haben – gerade rechtzeitig für die Enthüllungen ihres einstigen Chefs.
ILONA EVELEENS