: Krieg ohne Protest
FRIEDEN Die meisten Deutschen sind gegen den Krieg in Afghanistan – aber demonstrieren will fast niemand
■ Demonstration gegen den Krieg: Unter dem Motto „Kein Soldat mehr. Dem Frieden eine Chance, Truppen raus aus Afghanistan“ ruft die deutsche Friedensbewegung für Samstag, 20. Februar, zum bundesweiten Protest nach Berlin. Die zentrale Forderung: „Keine Erhöhung der Truppen – Frieden und Aufbau statt Unterstützung für den Krieg“.
■ Zeit und Ort: Samstag, 20. Februar, 13 Uhr Bebelplatz, Berlin
■ Aufrufer sind neben den traditionellen Friedensinitiativen vor allem Einzelpersonen und Verbände aus dem Umfeld der Partei Die Linke.
■ ■ Internet: Der Aufruf zur Protestkundgebung und die Unterstützerliste sind einzusehen unter www.afghanistandemo.de.
VON FELIX LEE
Mit 100.000 Teilnehmern hatte Rainer Braun gerechnet. Die Prognose des langjährigen Friedensaktivisten galt als besonders optimistisch. Am Ende des Tages waren es eine halbe Million Menschen, die am 15. Februar 2003 auf Berlins Straßen gegen den bevorstehenden Irakkrieg demonstrierten. Die Situation sei eine völlig andere gewesen, erinnert sich Braun heute. Die Bundesregierung hatte den Protest unterstützt. Gewerkschaften, Kirchen und der gesamte SPD-Parteiapparat hätten ebenfalls zur Mobilisierung beigetragen. Heute unterschreiben nicht einmal die Grünen.
Die deutsche Friedensbewegung hat zum heutigen Samstag mal wieder zu einer bundesweiten Antikriegsdemonstration nach Berlin aufgerufen. Hauptinitiatorin Jutta Kausch von der Berliner Friedenskooperative (Friko) spricht lieber von „Protestaktion“. Nach einer Kundgebung am Bebelplatz werde es zwar einen Demonstrationszug durch das Berliner Regierungsviertel geben. Kausch erwartet aber eigenen Worten zufolge „keine Massen“. Immerhin habe sie das Mandat von Friedensgruppen aus hundert Städten erhalten, zum Abschluss der Demo in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes Ortsschilder niederzulegen. Sie sollen der ganzen Protestaktion einen bundesweiten Charakter verleihen.
Eine große Mehrheit der Bundesbürger spricht sich gegen ein weiteres Afghanistan-Mandat des Bundestags aus und fordert einen sofortigen Truppenabzug. Doch wenn die Friedensinitiativen auf die Straße trommeln, werden es wahrscheinlich nicht einmal einige hundert sein, die ihren Aufrufen folgen. „Für viele ist der Afghanistan-Krieg sehr weit weg“, erklärt sich Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel den mauen Protest-Elan. 5.300 deutsche Soldaten am Hindukusch würden die breite Masse nicht wirklich berühren. Zudem habe der Großteil der Bevölkerung mit den Folgen der Wirtschaftskrise momentan ganz andere Sorgen. „Wir können nur das Angebot schaffen“, sagt Friedensaktivist Rainer Braun. „Ob die Leute kommen, müssen sie schon selbst entscheiden.“
Es ist nicht das erste Mal, dass die deutsche Friedensbewegung vor sich hin vegetiert. Es gab Hochphasen wie etwa Ende der 1950er-Jahre, als bundesweit Friedensgruppen wie Pilze aus dem Boden schossen, um gegen die atomare Aufrüstung zu protestieren. Oder Anfang der 1980er-Jahre: Damals demonstrierten Hunderttausende im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss. Und zuletzt 2003 vor Beginn des Irakkriegs, als eine halbe Million Menschen auf die Straße gingen. Zwischendurch gab es lange Stagnationsphasen oder gar Phasen des Niedergangs – je nachdem, was die Weltlage hergab.
Doch dieses Mal ist es für die Friedensbewegung anders: „Die Herrschenden eiern in der Afghanistanfrage rum und wir wissen die Mehrheit der Bevölkerung hinter uns, tun uns aber schwer, die Ablehnung des Krieges in deutlich sichtbaren Protest umzuwandeln“, beklagt Strutynski. Mitstreiter Braun führt das auf eigene Schwächen zurück. „Wir als Friedensbewegung sind den Menschen nicht mehr nahe.“ Zudem habe das Internet vieles aufgesogen. Viele äußerten ihren Unmut nun online, nicht mehr auf der Straße.
Warum die Bevölkerung derzeit so lethargisch erscheint, führt Strutynski auch auf die Berichterstattung der Medien zurück. Allenfalls im Feuilleton fänden sich kritische Artikel, die die Afghanistan-Politik insgesamt infrage stellen. Im politischen Teil würde vor allem das transportiert werden, was auch die Bundesregierung sagt. „Es fehlt an Informationen“, sagt Strutynski.
Auch Sabour Zamani vom afghanischen Kulturzentrum in Berlin sieht das so. Es werde zwar viel über den Einsatz der ausländischen Soldaten berichtet und über die Taliban. Wie es den Menschen in Afghanistan geht – darüber werde jedoch nur sehr wenig geschrieben. Dass vor kurzem in Afghanistan Zehntausende für Frieden auf die Straße gegangen sind, sei hierzulande keine Zeile wert gewesen.
Das Internet ist schuld? Die Bevölkerung wird nur schlecht informiert? Wie mobilisierungsstark die Friedensbewegung war, hing in der Vergangenheit häufig davon ab, zu welchen Bündnissen die Friedensinitiativen imstande waren. So gab es bei den letzten großen Antikriegsdemos nicht nur die offizielle Unterstützung der regierenden SPD. Auch die radikalen Kräfte aus der linken Szene saßen bei der Vorbereitung mit an einem Tisch. Wer sich anschaut, wer nun auf der Unterstützerliste steht, dem wird auffallen: Neben dem harten Kern sind vor allem Politiker und Verbände aus dem Umfeld der Linkspartei aufgeführt – und kleinere Gruppen links davon. SPD und Grüne fehlen ebenso wie Antifa-Gruppen, Kirchen oder Gewerkschaften. Ein Grund: Grüne und Sozialdemokraten setzen bei der Afghanistan-Frage auf einen behutsamen Abzug. Die Friedensbewegung hingegen fordert den sofortigen Rückzug.
Und die Kirchen? Die Weihnachtspredigt der Chefin der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, in der sie den Afghanistan-Einsatz sehr massiv infrage stellte, zeigte zumindest nicht so viel Wirkung, dass am Samstag viele Kirchenvertreter in großer Zahl demonstrieren werden.