: Zum Lob verpflichtet
Mit einer „Charta zur Kommunikation“ will die Europäische Kommission für mehr positive Berichterstattung über sich selbst sorgen. Lokale Medien sollen Brüsseler Themen für sich entdecken
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
Die EU-Kommission sorgt sich um ihr Image. Man kann es verstehen, denn Umfragen zeigen, dass die meisten Bürger Europa und seinen Institutionen nicht mehr viel zutrauen. Am Mittwoch stellte die für Kommunikation zuständige Kommissarin Margot Wallström ihre Pläne vor, wie sie die „Kommunikationskluft“ überbrücken will. Zu ihrer Überraschung sind die Brüsseler Journalisten keineswegs begeistert von den Plänen.
Eine „Europäische Charta zur Kommunikation“ als „Verpflichtung auf freiwilliger Basis“, wie es vage in dem Text heißt, weckt unliebsame Erinnerungen. Vor einigen Monaten hatte Innenkommissar Franco Frattini gefordert, die Journalisten müssten sich bei der Berichterstattung über Terrorismus einem Verhaltenskodex unterwerfen, der sicherstellt, dass sie sich nicht als Sprachrohr terroristischer Gruppen missbrauchen lassen. Die Berufsverbände hatten damals gegen diese geforderte Selbstzensur heftig protestiert. Nun also eine Selbstverpflichtung zum Lobgesang Europas?
Auf noch mehr Ablehnung stieß der Vorschlag, „die Schaffung einer operationell hinreichend unabhängigen interinstitutionellen Nachrichtenagentur“ zu prüfen. „Die Aufgabenteilung muss klar gewährleistet sein“, schrieb der Vorsitzende des Brüsseler Journalistenverbandes, Michael Stabenow, an „Madame Wallström“: Die Kommission dürfe „keine Interpretationshoheit über ihre eigene Politik erhalten“. Die Kommission ruderte prompt zurück. Der Vorschlag stamme aus einer alten Textfassung und sei inzwischen gestrichen, sagte gestern ein Sprecher.
Schon jetzt stellt die Kommission auf „Europe by Satellite“ Bildmaterial und Pressekonferenzen kostenlos zur Verfügung – allerdings unbearbeitet und unkommentiert. Sie unterstützt auch den Online-Informationsdienst Euractiv, der aber auch zahlreiche Sponsoren aus Wirtschaft und Verbänden auf seiner Homepage nennt. Zuschüsse der EU-Kommission hätten 2005 nur 10 Prozent des Budgets ausgemacht, versichert Herausgeber Christophe Leclercq. Durch die Vielzahl der Finanzquellen sichere Euractiv seine Neutralität.
Dem Projekt Nachrichtenagentur steht auch er skeptisch gegenüber. „Wir glauben, dass eine Nachrichtenagentur generell unabhängig sein sollte. Es kann aber unter bestimmten Umständen nötig werden, ein solches Projekt mit zu finanzieren.“ Allerdings sorgten sich nicht alle Kritiker wirklich um unabhängige Berichterstattung, vermutet Leclercq. Während die Kommission sich bemühe, ihre Informationen über den exklusiven Brüsseler Club hinaus zu verbreiten, werde das von vielen Korrespondenten als Bedrohung ihres Arbeitsplatzes empfunden.
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