Kaviar muss sein

OBERSTSCHICHT Die Doku „Die da oben – Deutschlands Millionäre“ (21 Uhr, ARD) scheitert am Anspruch

Das Großartigste an Jules Verne war seine prophetische Begabung. In seinem Roman „Die Insel der Milliardäre“ schippern besagte Reiche auf einer riesigen künstlichen Insel über die Weltmeere, die Befindlichkeiten der Plebs haben sie hinter sich gelassen. Dubai baut schon fleißig an künstlichen, wenn auch noch immobilen Inseln für Reiche – kann also gut sein, dass Jule Verne recht behalten wird. Einstweilen müssen sich die meisten Reichen aber noch mit nicht ganz so abgeschirmten Orten wie Sylt, Mallorca oder Monaco begnügen, wo sie nicht sicher sind vor den Besuchen von Fernsehjournalisten wie Hanns-Bruno Kammertöns und Michael Wech.

„Der mit großem Aufwand hergestellte Film führt in eine Welt zwischen ausgelebtem Konsumverhalten und dem Bemühen nach Sinnsuche“, heißt es in den Presseinformationen. Mit „großem Aufwand“ sind wohl die Reisekosten gemeint. Und die Welt, in die der Film führt, ist natürlich nicht die jener distinguierten Reichen, die ihren Reichtum mit diskretem Understatement genießen. Es sind Typen wie Willi Weber, Schumis etwas halbseidener Exmanager; Typen wie der Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, der seine Metzgermeisterattitüde auf die denkbar prätentiöseste Weise zelebriert; Typen wie die in den Adelsstand erhobene Kosmetikerin Marianne Baronin Brandstetter, die als Selfmade-Witwe Zsa-Zsa-Gabor-haften Charme entfaltet. Typen also, denen wir – die Mehrheit derer, die nicht zu Deutschlands 370.000 Millionären zählen – uns dann prima überlegen fühlen können, wenn nicht materiell, so doch in jeder anderen Hinsicht. Ein süffisant-ironischer Off-Kommentar tut sein Übriges: „Müßiggang ist hier Befehl. Ein Leben wie im Reservat. Baronin Brandstetter verwendet viel Kraft darauf, sich einen schönen Tag zu machen.“

Zoogeschichten dieser Art liefen im Privatfernsehen schon unzählige Male.

Für den öffentlich-rechtlichen Mehrwert sorgen und ein aufrichtiges Erkenntnisinteresse suggerieren sollen deshalb die mantrahaft wiederholten Fragen: „Was machen diese Menschen mit Geld? Und was macht das Geld mit den Menschen?“ Antworten wollen die Filmemacher nicht selbst formulieren, sie verlassen sich da ganz auf ihre Gesprächspartner.

Ein weniger neureiches Verhältnis zum Geld erwarten sich die Autoren von Philipp Daniel Merckle, dem Sohn jenes schwäbischen Pharmamilliardärs, der sich umbrachte. Doch sie vergreifen sich im – jetzt gänzlich ironiefreien – Ton: „Für immer wird der kleine Ort Blaubeuren für ein Drama von Shakespeare’schem Ausmaß stehen. Adolf Merckle griff zu den Sternen – und stürzte tiefer, als es sich je ein Mensch vorstellen konnte.“ Diese Doku ist so erhellend und wertvoll wie Willi Webers Aphorismus: „Wenn ich der Beste bin, dann habe ich das Anrecht auf die beste Bezahlung.“ JENS MÜLLER