: Weiter Streit um Dienstleistungen
Regierung findet keinen gemeinsamen Nenner bei EU-Richtlinie. Gegner rufen zur Demo
FRANKFURT/BERLIN dpa/rtr/taz Die Gegner der Dienstleistungsrichtlinie machen mobil: Gestern riefen die Globalisierungskritiker von Attac, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zur Teilnahme an Demonstrationen am 11. Februar in Berlin und am 14. Februar in Straßburg auf. Vor allem das Herkunftslandprinzip, nach dem Unternehmen grenzüberschreitend Dienstleistungen zu den Bedingungen ihres eigenen Landes anbieten können, müsse vom Tisch, forderten die Kritiker gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.
„Es ist nicht die Zeit für eine weitere Liberalisierung, sondern es ist höchste Zeit für eine soziale Regulierung“, sagte Sven Giegold von Attac. Notwendig seien verbindliche soziale, steuerliche und ökologische Standards in ganz Europa, um den Konkurrenzdruck nicht weiter zu verschärfen. Die IG BAU warnte vor einem „Einkommens-Senkungswettbewerb“. Auch in ausländischen Betrieben könnte künftig ausländisches Arbeits- und Tarifrecht gelten, wenn Firmen ihren Sitz verlagern würden, sagte der Leiter der Abteilung Internationales bei der IG BAU, Frank Schmidt-Hullmann.
Die GEW forderte, das Bildungswesen aus dem Geltungsbereich der Richtlinie auszuklammern. Mit der Richtlinie werde die Tür geöffnet, Bildung zu privatisieren, sagte der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne. „Bildung ist Teil der Daseinsvorsorge für alle Menschen. Sie ist wie der Gesundheitsbereich öffentliche Aufgabe und darf nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden.“
Das Europaparlament will am 16. Februar über die Richtlinie entscheiden. Der EU-Ministerrat wird sich am 25./26. März mit dem Vorhaben befassen. Der EP-Ausschuss für Binnenmarkt hatte sich im November unter Beibehaltung des Herkunftslandprinzips auf viele Ausnahmen zur ursprünglichen Brüsseler Kommissionsrichtlinie verständigt. Kernbereiche kommunaler Dienstleistungen wie etwa Pflegedienste oder die Wasserversorgung blieben aber strittig.
Die große Koalition in Berlin ist sich auch nach einem Treffen des Koalitionsausschusses am Donnerstagabend in diesem Punkt noch uneinig. Zwar hätten sich beide Seiten weitgehend verständigt, dass bei den Regeln zur Zulassung eines Unternehmens zu Dienstleistungen jeweils das Recht seines Heimatlandes gelten solle, hieß es gestern in Regierungskreisen. Bei den Regelungen zur Ausübung der Geschäftstätigkeit aber wolle die Union am Herkunftslandprinzip festhalten – allerdings mit zahlreichen Ausnahmen etwa bei Sozial- und Umweltstandards. Die SPD wolle hingegen grundsätzlich die Regeln des Ziellandes anwenden, wobei auch hier viele Ausnahmen gelten sollten. step