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Archiv-Artikel

Heitere Arroganz

Neue Satzung und alte Unklarheiten: Die Akademie der Künste nach ihrer zweitägigen Klausurtagung

Eine Ahnung von weißem Rauch lag in der Luft, als die Akademie der Künste hoch über dem Pariser Platz die frohe Botschaft verkündete: „Habemus constitutionem!“, rief Friedrich Diekmann, Mitglied der Sektion Literatur, dem Medienvolk zu. Endlich habe man sich, nach zweitägiger Klausurtagung, auf eine Satzung einigen können, in der sich die Mehrheit aller Akademiemitglieder wiederfände.

Applaus kam ob dieser Nachricht nicht auf, die feierliche Stimmung verflog im Nu. Man hatte gehofft, von Diekmann und Vizepräsident Matthias Flügge brühwarm zu erfahren, in welcher Tonart sich der im Streit zurückgetretene Präsident Adolf Muschg von seiner ungeliebten Akademie verabschiedete. Die dunkel gekleideten Herren auf dem Podium aber hielten den Ball flach.

Mit einer „langen, schönen Rede“ habe sich Herr Muschg verabschiedet, lobte Flügge und erlaubte sich nur den Hauch eines ironischen Untertons, im Übrigen habe man sich sehr um eine sachliche Debatte bemüht. Die siebenseitige Rücktrittsrede des ehemaligen Präsidenten lag auf Akademiepapier gedruckt aus. Während Diekmann als Mitglied der Redaktionsgruppe das bestimmt verdienstvolle, aber dröge Zustandekommen der von 59 Anwesenden beschlossenen Satzungsendfassung referierte, konnte man sich in Ruhe Muschgs Abschiedsrede durchlesen. In dieser spannt er, ganz Schriftsteller, einen gewaltigen Bogen von seiner Schweizer Kindheit bis zum Reformstau der Akademie und zitiert viel sagend „Die Beichte“ des schwäbischen Dichters Ulrich Hutten: „Mich reut mein allzu spät erkanntes Amt/ Mich reut, dass mir zu schwach das Herz geflammt.“

Muschg selbst war natürlich nicht da. So gab es statt interessanter Debatten nur weitere päpstliche Verkündungen. Die Akademie sei sich einig wie nie, verkündete Flügge, nach zwei Tagen Debatte habe man sich gar nicht mehr erinnern können, warum man sich eigentlich gestritten habe. Man habe jetzt eine Satzung, die den Präsidenten und die föderale Struktur der Akademie stärke, und man blicke erwartungsvoll der Präsidentenwahl Ende April entgegen.

An dieser Stelle reichte es aber mit den Verkündigungen. Wie genau das neue Selbstverständnis der Akademie aussehe, wollte ein Medienvertreter wissen. Die Antwort war ebenso rätselhaft wie nichts sagend. Wie eine Satzung denn gleichzeitig Präsident und Mitglieder stärken, aber niemanden schwächen könne, fragte ein anderer. Da zeigte sich auf dem Podium jene Grundhaltung, deretwegen die Akademie in den vergangenen Monaten in der Kritik stand: heitere Arroganz. „Wir sind eine Künstlervereinigung“, lächelte Matthias Flügge, „das bringt haufenweise Irrationales mit sich.“

Man verließ einigermaßen verwirrt den Saal und stieß im Foyer auf fünf Männer in schwarzen Gummianzügen, die eine orangefarbene Gliederpuppe tanzen ließen. Dieses Spektakel zur Eröffnung der Einar-Schleef-Ausstellung war an diesem Sonntagvormittag vielleicht das schönste Bild für den heiteren, aber sonderbaren Zustand der Akademie. NINA APIN