: Fast kein Schaden
Vergeigtes Hochschulgesetz fordert Abwehrkräfte von Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann
Die Stimmung auf dem Empfang im Wissenschaftsministerium war gedrückt. „Es entsteht niemandem ein Schaden“, hatte sich der vergrippte Hausherr am Dienstagabend um etwas Fassung bemüht. Das war leicht untertrieben. Immerhin hatte Lutz Stratmann (CDU) gerade die Meldung erhalten, dass die peinliche Geschichte um das vergeigte Hochschulgesetz und die anschließende Richterschelte seines Ministeriums ein mittelgroßes Erdbeben in der schwarz-gelben Koalition ausgelöst hatte.
„Ärgerlich fürs Land“ hatte FDP-Fraktionschef Philipp Rösler das Urteil des Braunschweiger Verwaltungsgerichts genannt, nach dem im Sommersemester 2006 keine Langzeitstudiengebühren erhoben werden dürfen, weil dafür die gesetzliche Grundlage fehlt. Noch übler findet Rösler, der seinen Unmut normalerweise nicht in der Presse, sondern im Koalitionsausschuss kund tut, dass Stratmanns Ministerium versucht hatte, die Schuld für die Panne den Juristen im Landtag in die Schuhe zu schieben.
Während die schwarz-gelbe Koalition wackelte, versuchte Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann, die Wogen an einer weiteren Front zu glätten. Ein Sprecher Stratmanns nämlich hatte die Entscheidung des Gerichts über die fehlende Gesetzesgrundlage zur Erhebung von Langzeitstudien-Gebühren als „kurios“ bezeichnet, das Gericht habe „offensichtlich nicht sehr gründlich gearbeitet“.
Daraufhin hatte der Gerichtspräsident geklagt, die Exekutive beschädige „das Ansehen des Gerichts“. Anstatt sich hinter das Gericht zu stellen, telefonierte Heister-Neumann mit beiden Parteien. Ihr Sprecher spielte anschließend den Vorfall herunter: „Das Wissenschaftsministerium hat nicht die Entscheidung des Gerichts, sondern lediglich das Ergebnis kritisiert“. Die Sache sei damit „vom Tisch“.
Das sieht die SPD völlig anders und sprach von einem „einmaligen Vorgang in der jüngsten Rechtsgeschichte“. „Richtig peinlich“ findet die Justiz-Expertin Heike Bockmann jedoch, dass „Herr Stratmann noch nicht einmal die Souveränität hat, sich für die öffentlichen Äußerungen aus seinem Haus zu entschuldigen.“ Die Grünen bemängelten zusätzlich Stratmanns gestrigen Versuch im Innenausschuss, die Gebührenschlappe im „Schweinsgalopp“ durch ein neues Gesetz und ohne Anhörung von Hochschul-Experten durchzupeitschen wollte. ksc