: „Ich war naiv“
Lesung Eine Zeichnerin erzählt, wie sie das Leben von Flüchtlingen kennengelernt hat
27, Comic-Zeichnerin. „Im Land der Frühaufsteher“ ist ihre erste veröffentlichte Graphic Novel.
taz: Der Comic beginnt damit, dass die Erzählerin, Ihr Alter Ego, ganz unbedarft einen Afroshop aufsucht. Wollten Sie damit Ihre eigene Naivität thematisieren?
Paula Bulling: Ja, absolut. Es ging mir darum, meinen Lernprozess zu zeigen. Es gibt ja kurz danach eine Szene, in der die Erzählerin mit einem Freund telefoniert, der ihr die Vermessenheit ihrer Haltung klar macht: dass sie nicht einfach in jeden Raum eindringen und ihn sich zu eigen machen darf.
Sind Sie denn selbst zur Recherche in diese Läden gegangen?
Ja, das war in meinem vor-reflektierten Stadium, ich hatte keine Sensibilität dafür. Im Comic dreht sich das Machtverhältnis ja um. Ich werde ausgefragt, was ich dort zu suchen habe.
Wenn Sie nicht so naiv gewesen wären, hätten Sie vor lauter Theorie und Bedenken gar nicht erzählen können, oder?
Das kann gut sein. Die Auseinandersetzung über meine Haltung als weiße Erzählerin ist ja in das Buch mit eingeflossen. Jetzt finde ich es jetzt viel schwieriger, eine Erzählerinnen-Position zu finden.
Warum?
Während der Arbeit habe ich nicht daran gedacht, dass der Comic als Buch veröffentlicht werden und so viel Presse bekommen würde. Es gab dann oft Situationen, wo die Interviews genau das reproduzierten, was ich thematisieren wollte, nämlich wie stark der Diskurs in Deutschland über Flucht und Asyl von Weißen geprägt ist.
Inwiefern reproduziert?
Wenn mich eine Moderatorin im Radio fragt: „Und was machen die Leute in den Heimen, wie geht es ihnen?“ Diese Art von verallgemeinernden und emotionalisierten Antworten will ich nicht liefern. Oder ich und mein Co-Autor in einer Fernseh-Reportage zu sehen sind und nur unter meinem Namen mein Beruf eingeblendet wird. INT.: EIB
19 Uhr im Paradox, Bernhardstr. 12, mit Maman Salissou Oumarou, Flüchtlings-Aktivist