Mehdorn wütet gegen Presse und Politik

Der Bahn-Chef bringt mit einem geharnischten Brief Verkehrspolitiker gegen sich auf: Er wirft ihnen Geheimnisverrat vor. Zugleich straft der Konzern kritische Berichterstattung über die Bahn in einem Wirtschaftsmagazin mit Anzeigenentzug ab

von STEFFEN GRIMBERG

Die Deutsche Bahn AG versucht ungeliebte Kritik mit einem Anzeigenboykott abzustrafen. Capital-Chefredakteur Klaus Schweinsberg bestätigte gestern der taz, dass die DB wegen des Beitrags „Mehdorns Malaise“ im aktuellen Heft reservierte Anzeigen abgesagt habe. Das Wirtschaftsmagazin hatte berichtet, die Finanzen des Staatskonzerns drohten „aus dem Ruder zu laufen“. Ein „streng vertrauliches Vorstandspapier“ bezeichne die Überschuldung der DB AG als „überkritisch“. Er finde es „pikant, dass die Bahn, die immer noch im Staatsbesitz ist“, versuche, „derartig in die Pressefreiheit einzugreifen“, so Schweinsberg.

Auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages kritisierte das Vorgehen der Bahn: „Ob dieses Vorgehen für ihn nützlich ist, wird Herr Mehdorn auf Dauer selbst einschätzen müssen“, sagte Klaus W. Lippold (CDU). Bahnchef Hartmut Mehdorn hatte den Verkehrsausschuss ohnehin verärgert: In einem Brief hatte er einem nicht namentlich genannten Bundestagsmitarbeiter vorgeworfen, der Presse gezielt vertrauliches Material zuzuspielen.

Die DB AG wollte gestern nicht direkt zum Anzeigenboykott Stellung nehmen. Hierzu könne er „nichts sagen, das weiß ich nicht“, so Konzernsprecher Werner W. Klingberg zur taz. Die Bahn habe allerdings ihre Anzeigendisposition umgeschichtet. „Mag sein, dass Capital dabei rausgefallen ist“, sagte Klingberg. Dies habe mit der Berichterstattung aber „nichts zu tun“. Klingberg warf Capital vor, bei dem Bericht über die angebliche Überschuldung unseriös mit den Unternehmenszahlen umzugehen. Die von Capital aufgezeigten Differenzen hätten sich lediglich durch Umstellungen im Bilanzierungssystem ergeben.

Auch die Aufregung über Mehdorns Brief an den Verkehrsausschuss sei überzogen, so Klingberg. In dem Brief bemängelt Mehdorn, dass derzeit „auffällig viele Storys“ in den Medien erschienen, „in denen vertrauliche Unternehmenszahlen und -informationen ohne Sachkenntnis oder vorsätzlich verzerrend zusammengestellt und nahezu zu Verschwörungstheorien aufgebauscht“ würden.

Lippold nannte das Schreiben gegenüber der taz dagegen „nicht akzeptabel“. Der Bahnchef könne nicht „aufgrund von Vorverurteilungen zu Verdächtigungen kommen, bei denen jeder Beleg fehlt“. Der Vorstandschef der Bahn sei oft „sehr deftig und impulsiv“, so Lippold. Dies sei aber nicht die „Art und Weise, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten“.

Bahnsprecher Klingberg verwies gestern gegenüber der taz dagegen auf die „sehr freundliche und verbindliche Art“, in der der Brief verfasst sei. Man habe die Vorwürfe gegen den Fraktionsmitarbeiter bewusst „nicht konkret machen“ wollen, sondern nur „Hinweise gegeben“.

Laut Capital war die Grundlage für die Berichterstattung die „mittelfristige Finanzplanung“ der Bahn selbst gewesen, die man habe einsehen können. Dies bestätigte gestern der geschäftsführende Redakteur von Capital, Wolfgang Glabus, der taz. Quelle sei aber nicht der Verkehrsausschuss oder der von Mehdorn beschuldigte „Mitarbeiter einer Bundestagsfraktion“ gewesen.

Bahnchef Mehdorn hatte dem Verkehrsausschuss schon einmal einen Brief geschrieben. Damals, 2004, nannte er auch Namen: Er diffamierte Albert Schmidt (Grüne), der damals noch im Verkehrsausschuss saß, und Horst Friedrich (FDP) als „so genannten Verkehrsexperten“. Daraufhin luden die Abgeordneten Mehdorn vor. Der räumte zwar ein, dass „es manchmal vielleicht besser ist zu reden als gleich etwas zu schreiben.“ Entschuldigt hat er sich aber nicht.

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