: „Bei jedem Verband muss man nachfragen“
Islamkennerin Dantschke plädiert dafür, Kritik an islamischen Verbänden offen zu äußern. Verbote seien nicht sinnvoll
taz: Frau Dantschke, welche der islamischen Organisationen in Berlin halten Sie für den besten Ansprechpartner?
Claudia Dantschke: Die Ditib, die als faktisch staatliche türkische Organisation der Trennung von Staat und Religion unterliegt. Sie vertritt aber nur die türkischen Sunniten.
Und vom Dialog mit wem würden Sie komplett abraten?
Ein Dialog mit islamistischen Ideologen wie der Hizb ut-Tahrir oder der Kalifatsstaat-Bewegung bringt keinen Gewinn.
Beide Gruppen sind verboten. Ist das sinnvoll?
Ich bin keine Freundin von Verboten. Ein Verbot kann eine Gruppe festigen, indem es sie in den Untergrund drängt. Das Betätigungsverbot für Hizb ut-Tahrir fand ich aber positiv. Diese Gruppe hat sehr radikal und sehr breit agitiert.
Müssten noch weitere verboten werden?
Es gibt radikale Vertreter von Hisbollah und Hamas, bei denen man überlegen sollte, ob man sie in ihren Agitationsmöglichkeiten beschneidet. Das sind hier aber marginale Gruppen.
Wichtig in Berlin ist die türkisch-sunnitische Islamische Föderation. Sie bestreitet seit Jahren den Kontakt zu Milli Görüs, obwohl es starke Hinweise gibt. Warum eigentlich?
Die Islamische Föderation hat ein Problem: Wenn sie jetzt eine Verbindung zugäbe, fürchtet sie, das zu verlieren, was sie erreicht hat: zum Beispiel die Erlaubnis, islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Viele Vertreter der Milli Görüs dagegen stehen mittlerweile recht selbstbewusst dazu, was Milli Görüs ist.
Was ist denn Milli Görüs?
Milli Görüs steht für eine religiöse Gesellschaftsvision, die sie als gerecht, als Ideal betrachtet. Mit dieser Vision sind natürlich Abgrenzungen, Feindbilder verbunden, es ist eine andere Gesellschaft als das demokratische System, das auf der Trennung von Staat und Religion basiert.
Verbände wie Ibmus versuchen, Muslime verschiedener Herkunft in friedlichen Dialog mit der Mehrheit zu bringen. Sind sie glaubwürdig?
Zu Ibmus gehören unter anderem äußerst bedenkliche Gruppierungen, zum Beispiel das Islamische Kultur- und Erziehungszentrum, das der Berliner Verfassungsschutz für den hiesigen Treffpunkt der Muslimbruderschaft hält. Es bilden sich derzeit viele Netzwerke von bildungsnahen muslimischen Kreisen, die sehr subtil und eloquent sind. Aber manche ihrer Aussagen zeigen, dass es auch da eine Menge Diskussionsbedarf gibt.
Heißt das, wir haben keinen Verein, keinen Verband, dem man glauben kann, was er sagt?
Es gibt bei jedem Verband Aspekte, wo man nachfragen muss. Dazu gehören Intransparenz, fragwürdige Positionen oder problematische Verbindungen. Das heißt nicht, dass man nicht mit ihnen reden soll. Man muss aber die Kritikpunkte ansprechen. INTERVIEW: ALKE WIERTH