: Hoffnungsschimmer für Sri Lanka
Im langjährigen Konflikt mit den LTTE-Rebellen sind neue Gespräche vereinbart. Ein dauerhafter Frieden ist noch fern, aber die Eskalation der Gewalt kann gestoppt werden
COLOMBO/BATTICALOA taz ■ „Nur wenn es Frieden gibt, haben unsere Kinder eine Chance“, sagt Subhromaniam Radhi aus dem tamilischen Dorf Sathurukavalan bei Batticaloa an der Ostküste Sri Lankas. Sie weiß, wovon sie spricht. Vor 15 Jahren wurden ihr Mann und ihr zehnjähriger Sohn von Regierungssoldaten ermordet: „Einige aus dem Dorf waren aktiv bei den Tamil-Tigers-Rebellen.“ Doch ihr Mann, so versichert sie, hatte mit Politik nichts zu tun. Jetzt hofft die 35-Jährige, dass die vereinbarten neuen Gespräche zwischen Regierung und Tamil Tigers (LTTE) demnächst wirklich Frieden bringen.
Norwegens Vermittler Erik Solheim brachte Präsident Mahinda Rajapakse und die LTTE Ende Januar dazu, einem neuen Dialog zuzustimmen. Seit vier Jahren herrscht eine prekäre Waffenruhe, aber Verhandlungen wurden vor drei Jahren abgebrochen. Der im November mit knapper Mehrheit gewählte Staatschef hatte der singhalesischen Mehrheit versprochen, das von vielen als zu günstig für die LTTE gesehene Waffenstillstandsabkommen zu revidieren.
Die Einigung auf neue Gespräche brachte eine militärische Entspannung. Denn obwohl keine Seite die Waffenruhe aufgekündigt hatte, gab es seit Anfang Dezember fast täglich bewaffnete Zwischenfälle: Soldaten wurden mit Minen oder Granaten attackiert, tamilische Politiker, ein Journalist, Studenten und vermeintliche LTTE-Sympathisanten ermordet. In knapp zwei Monaten wurden nach offiziellen Angaben 92 Soldaten und 42 Zivilisten getötet. Eine Verschwörung regierungsnaher Kreise gegen einen Bischof konnte noch rechtzeitig aufgedeckt werden.
Politische Morde bleiben unaufgeklärt. In den seltenen Fällen, wo offizielle Stellen Ermittlungen aufnehmen, verlaufen diese im Sande, sobald die Spuren ins eigene Lager führen. Laut lokalen Medien hat Präsident Rajapakse eingeräumt, dass einige Morde auf das Konto einer Armee-Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung gehen. Für die Ermordung des tamilischen Abgeordneten Joseph Pararajasingham erklärte sich die paramilitärische Gruppe „Sennan Padai“ verantwortlich. Sie spaltete sich vor zwei Jahren unter Führung von Major Karuna von der LTTE ab und verrichtet seitdem im Osten unter dem Schutz der Armee die „schmutzige Arbeit“. Auch Karuna bot jetzt eine Waffenruhe an, will aber als eigene Partei an den Verhandlungen teilnehmen. LTTE-Verhandlungsführer Anton Balasingham kündigte an, die Tigers würden sich militärisch zurückhalten. Bisher bekannten sie sich zu keinem der ihnen zugerechneten Attentate.
Die neue Einigung war so schwierig, weil Präsident Rajapakse von seinen radikalnationalistischen Koalitionspartnern zu einer harten Haltung gedrängt wird. US-Staatssekretär Nicholas Burns, der wohl nicht zufällig zeitgleich mit den Norwegern in Sri Lanka ankam, zückte Zuckerbrot und Peitsche. Einerseits forderte er eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der jahrzehntelang unterdrückten Tamilen, andererseits stellte er sich deutlicher als je zuvor hinter die Regierung und deutete an, zur Not würden die USA die Armee so aufrüsten, dass sie die LTTE militärisch schlagen kann.
Einen tragfähigen Kompromiss erreichte Solheim mit dem Vorschlag von Genf als Verhandlungsort. Die LTTE hatte auf Oslo bestanden, während die Regierung Tokio favorisierte. In Europa kamen nur wenige Länder in Frage, weil die EU die LTTE nach der Ermordung von Außenminister Lakshman Kadirgamar im vergangenen August zur terroristischen Organisation erklärte und ihre Führer seitdem Einreiseverbot haben.
Bei den Gesprächen am 22. und 23. Februar soll es einzig um die Implementierung des Waffenstillstandsabkommens vom Februar 2002 gehen. Denn in vielen Punkten ist die Regierung säumig. Verlaufen die Gespräche erfolgreich, können die viel schwierigeren Friedensverhandlungen fortgesetzt werden. Für Druck auf beide Parteien sorgt nicht nur die internationale Gemeinschaft, sondern auch die Wirtschaft. An der Börse von Colombo schnellten nach der Einigung die Aktienindizes über sieben Prozent in die Höhe. Die Tourismuswirtschaft, die unter dem Tsunami stark gelitten hat, reagierte euphorisch. Eine Rückkehr zum Krieg, der seit 1983 über 64.000 Menschen tötete, wäre eine Katastrophe.
RALF LEONHARD