JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER BEITRITTSVERHANDLUNGEN ZWISCHEN EU UND ANKARA
: Deutschland, Türkei und Taksim

Noch ist nicht endgültig klar, ob in dieser Woche nach einer dreijährigen Unterbrechung erstmals wieder ein Kapitel der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet wird. Deutschland und die Niederlande haben sich bislang dagegen ausgesprochen, Österreich tendiert ebenfalls zum Nein.

Kanzlerin Merkel hat das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen die die Demonstranten mehrfach kritisiert. Das ist gut, und es hätte durchaus noch entschiedener sein können. Die neue Demokratiebewegung in der Türkei braucht Unterstützung von außen, vor allem aus Europa. Das EU-Parlament, Erweiterungskommissar Stefan Füle, vor allem aber die europäischen Medien, haben sich für demokratische Standards in der Türkei stark gemacht und damit auch ein wenig ausgeglichen, was die türkischen Medien unter dem Druck von Zensur und Selbstzensur oft nicht mehr wahrnahmen.

Es gäbe durchaus gute Gründe, der türkischen Regierung zu sagen: Solange ihr eure Haltung nicht korrigiert, verhandeln wir nicht weiter über einen Beitritt. Doch so läuft es nicht. Jeder in der Türkei weiß, dass Merkel gegen einen türkischen EU-Beitritt ist, und die Wasserwerfer und Gaseinsätze nur ein weiterer Vorwand sind, die Verhandlungen hinauszuschieben.

Was die türkischen Demokratiebewegung braucht, ist mehr Europa und nicht weniger. Solidarisch wäre es, wenn die EU sagen würde, ja, gerade wegen der Demokratiebewegung wollen wir verhandeln, und zwar über die relevanten Fragen wie Justiz und Meinungsfreiheit. Deshalb heben wir die von Zypern und Frankreich initiierte Blockade der relevanten Kapitel auf und diskutieren tatsächlich über europäische Werte. Schade, dass Frau Merkel und ihre CDU nicht im Traum daran denken, sich in dieser Weise für die Demokratie zu engagieren.

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