Mitreden, obwohl ich keine Ahnung habe

10 schlaue Sätze über große Risiken. Am Sonntag überquerte der Hochseilartist Nik Wallenda eine Seitenschlucht des Grand Canyon

„Risiko muss sich wieder lohnen.“ (Heimliches Motto von Seilfreund Nik Wallenda. Er sagte nach seinem Balanceakt: „Dass war sehr lukrativ, sogar mehr als erwartet“)

„Thank you God, thank you God.“ (Den Gebeten Wallendas während der Überquerung zufolge war auch der Wind stärker als erwartet.)

„Manchmal muss man einfach ein Risiko eingehen – und seine Fehler unterwegs korrigieren.“ (Der amerikanische Topmanager des Automobilkonzerns Chrysler, der das behauptet hat, war wohl noch nie ganz allein auf einem Seil mehr als 500 Meter über dem Abgrund.)

„Jedes Risiko ist auch eine Chance.“ (Auch so ein besonders gern von solchen Menschen benutzter Satz, die nie ein wirkliches Risiko eingehen müssen und nie eine Chance brauchten: Erben, Firmenchefs, Hochbegabte.)

„Risiko ist die Bugwelle des Erfolgs.“ (Unsere kleine Studie zeigt: Zitate mit „Risiko“ zählen sicherlich zu den am meist verwendeten im neoliberalen Bonmotsektor. Das hier ist allerdings von Carl Amery, Umweltaktivist und bis Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts SPD-Mitglied.)

„Bei ‚Risiko‘ sollte man als Erstes Australien einnehmen.“ (Weisheit eines erfahren Feldherrn)

„Bei ‚Risiko‘ sollte man als Erstes Südamerika einnehmen.“ (Weisheit eines anderen erfahren Feldherrn)

„Bei ‚Risiko‘ sollte man als Erstes Asien einnehmen.“ (Weisheit eines Feldherrn ohne jegliche Erfahrung)

„Wer mit Affen spielt, wird gelegentlich gebissen.“ (Angeblich sagte das Friedrich Zwo (1712–1786), seines Zeichens preußischer König, genannt „der Alte Fritz“. Experte beim Thema. Brach den Siebenjährigen Krieg gegen viel zu viele Gegner vom Zaun, hätte eigentlich verlieren müssen, siegte aber wegen Unpässlichkeiten seiner Feinde trotzdem. Beweis für die Theorie, dass großes Risiko nur mit noch größerem Glück gemeistert werden kann.)

„Wäs wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, zu riskieren?“(Tja, Vincent van Gogh, eventuell wäre das mit Deinem Ohr nicht passiert. Oder Du hättest ein paar Bilder mehr verkauft. Du hättest Dir viieeeelleeeeiiiicht auch keine Kugel in die Brust geschossen. Aber nein, Du musstest ja unbedingt ein Begründer der modernen Malerei werden.)

■ Elie Abergel 19, sucht das Risiko lieber auf dem Ebenen der Spielbretter als hoch oben in der Luft.

■ Jürn Kruse, 28, geht es ebenso. Weil er „Risiko“ aber zu ernst nimmt, will keiner mehr mit ihm spielen.

■ Enrico Ippolito, 30, arbeitet bei der taz. Mehr Risiko braucht er nicht.