piwik no script img

Archiv-Artikel

Antibiotika-Verbrauch soll schärfer überwacht werden

LANDWIRTSCHAFT Einigung zwischen Bund und Ländern sieht neue Pflichten für Tierhalter vor

Berlin taz | Bund und Länder haben sich auf einen Kompromiss im Kampf gegen den massenhaften Verbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung geeinigt. Der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag werde am Mittwoch eine entsprechende Änderung des Arzneimittelgesetzes empfehlen, sagten Vertreter beider Seiten. Neu gegenüber dem ursprünglich vom Bundestag beschlossenen Entwurf sind vor allem Sanktionen für Bauern, die besonders häufig therapieren – und dies auch nicht ändern wollen. Es gilt als sicher, dass Bundesrat und Bundestag zustimmen werden.

Die Landwirtschaft – vor allem die Tiermast zur Fleischproduktion – verbraucht mehr als doppelt so viel Antibiotika wie die Humanmedizin. Das erhöht das Risiko von Mutationen der Keime. So werden die Bakterien widerstandsfähig gegen Medikamente. Weil dann Infektionen länger dauern oder schwerer verlaufen können, sterben laut Weltgesundheitsorganisation WHO in der Europäischen Union jährlich 25.000 Menschen.

Der Kompromiss sieht vor, dass Landwirte ab 2014 an eine zentrale Datenbank melden müssen, wie häufig sie wie vielen Tieren wie viele Antibiotika gegeben haben. Die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag wollte ursprünglich die Dosis nicht erfassen. Sie musste sich in diesem Punkt aber dem Bundesrat, in dem SPD, Grüne und Linke die Mehrheit haben, beugen.

Wer gemessen am Bundesdurchschnitt besonders häufig therapiert, muss künftig einen Plan aufstellen, wie er den Einsatz von Medikamente verringern will. Die Landwirte könnten zum Beispiel die Hygiene verbessern, damit sich weniger Tiere infizieren. Die Aufsichtsbehörden der Länder sollen den Plan prüfen und gegebenenfalls ändern können.

Schwarz-Gelb hatte keine Sanktionen für Bauern vorgesehen, die den Plan nicht erfüllen und weiterhin häufig Antibiotika anwenden. Der Kompromiss ermächtigt die Länder nun, solchen Betrieben die Tierhaltung für bis zu drei Jahre zu verbieten.

Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) war zufrieden: „Mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes können wir die Menge der eingesetzten Antibiotika in der Tierhaltung innerhalb weniger Jahre deutlich reduzieren.“

Die Grünen dagegen halten auch den verbesserten Gesetzentwurf nur für einen kleinen Fortschritt, der vor allem der Dokumentation des Problems und weniger seiner Lösung diene. Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) kündigte zwar die Zustimmung seines Landes an, forderte aber, die Tierhaltung zu verändern, die zu hohem Antibiotika-Verbrauch führe: „Die Besatzdichte in den Ställen muss reduziert werden“, sagte er der taz.

Der Agrarexperte der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff, kritisierte, dass der Verbrauch nur in der Mast – und nicht in der Aufzucht – erfasst werden soll. Ferkel sind nämlich vor dem Absetzen von der Sau ausgenommen. Auch die Fischzucht fehle. JOST MAURIN