: Geballer aus dem Regenschirm
KAMPFGEIST Bei einer Performance in der Theaterkapelle treffen die zeitgenössischen Tänzerinnen Renate Graziadei und Naama Ityel auf den berüchtigten Berliner Battle-Rapper Taktloss. Ob das bloß gutgeht?
Im Rahmen der Musiktanzreihe „Taktstelle“ begegnet der Berliner Rap-Avantgardist Taktloss der „Sascha Waltz & Guests“-Tänzerin Renate Graziadei sowie der israelischen Tänzerin Naama Ityel auf der Bühne der Theaterkapelle in Friedrichshain. Dabei folgen die drei Künstler keiner einstudierten Choreografie, sondern entfalten sich gemeinsam spontan in ihrem jeweiligen künstlerischen Medium.
■ Taktstelle: Theaterkapelle, Boxhagener Str. 99, Freitag, 21 Uhr, 12/9 €
VON MARC LEOPOLDSEDER
Fragt man Taktloss, warum seine Konzerte trotz jahrelanger Veröffentlichungsabstinenz immer noch so gut besucht sind, hat er eine HipHop-typische Erklärung parat: „Weil ich der Beste bin.“ Das mag großspurig klingen, aber wenn man schon mal einen dieser Auftritte miterlebt hat, dann will man ihm nicht widersprechen – denn in seinem Metier ist der Berliner Rapper tatsächlich eine Ausnahmeerscheinung. Im Rahmen der Musiktanzreihe „Taktstelle“ teilt er sich nun eine Bühne mit zwei Vertreterinnen einer Kunst, die man üblicherweise nicht mit einem MC assoziiert: Rap trifft hier auf zeitgenössischen Tanz.
Dabei wirkt die Vorstellung, sich neben Taktloss auf eine Bühne zu stellen und zu versuchen, sich künstlerisch zu entfalten, zumindest in HipHop-Kreisen eher belustigend. Denn in der Welt, aus der Taktloss kommt, hat er einen Ruf wie Donnerhall: Ende der Neunziger machte sich der ehemalige Graffitisprüher in der Berliner Szene als Battle-Rapper einen Namen, und eben diese Kunst, seine Gegner so gekonnt wie effektiv zu beleidigen, hat er in dieser Zeit perfektioniert; kaum jemand würde es wagen, ihm im lyrischen Zweikampf die Stirn zu bieten. Schließlich kennt wohl jeder Rapper diesen inzwischen legendären Battle-Mitschnitt, in dem Taktloss sein Gegenüber nicht nur mit einer unglaublich wüsten Schimpftirade geradezu niederbrüllt, sondern ihm schließlich noch das Mikrofon aus der Hand reißt – nur mit Mühe und Not kann ihn der Moderator des Abends davon abhalten, seinen sichtlich eingeschüchterten Gegner buchstäblich von der Bühne zu befördern.
Diese Mischung aus kunstvollen Beleidigungen und radikaler Bühnenpräsenz ist es, die seine Fans auch beinahe zehn Jahre nach der Veröffentlichung seines letzten Soloalbums noch zu seinen Liveauftritten treibt: Eine Taktloss-Show ist immer ein Erlebnis. Das fängt schon damit an, dass bei ihm die üblichen HipHop-Parameter nicht greifen. Taktloss hat in seinem Repertoire keinen einzigen Hit im kommerziellen Sinne, dennoch kennen alle Anwesenden seine Texte auswendig. Taktloss bringt in der Regel weder DJ noch Backup-Rapper mit, dennoch hat seine Show keine Längen – er legt nur eine CD mit instrumentaler Untermalung ein, schnappt sich das Mikrofon und legt los. Und wo andere das Publikum zum Mitmachen auffordern, macht Taktloss einfach gar nichts – den obligatorischen Intro-Sprechchor stimmen seine Fans von ganz alleine an, gerne auch mal, während noch die Vorgruppe spielt. Und zwischen den Songs wird nicht gequasselt, sondern geschossen: Die Maschinengewehrgeräusche kommen vom Band, Taktloss schießt mit Regenschirm, Mikrofonständer oder bloßen Händen in die Menge – und dies gerne auch mal so ausufernd lang, dass Kritiker das Geballer nicht als bloßes Showelement, sondern gleich als Performancekunst verbuchen.
Dass sie „erschossen“ werden, damit müssen auch Renate Graziadei und Naama Ityel rechnen, wenn sie sich am Freitag zu Taktloss auf die Bühne der Theaterkapelle stellen und versuchen, seine Raps tänzerisch zu interpretieren. Ob ihnen das auch recht ist, das ist dem Rapper einerlei – daraus macht er im Gespräch nach der Preview im Kreuzberger Studio LaborGras kein Hehl: „Naama hat sich von meiner Performance wohl ziemlich einschüchtern lassen. Ich habe sie vorgewarnt, dass ich auf sie schießen werde, sie fand das nicht so gut. Sie fand, ich hätte ihrem Ausdruckstanz keinen Raum zur Entfaltung gelassen. Angeblich hätte ich sie sogar zerstört“, grinst er.
Tatsächlich hatte die Kurzvorstellung von Taktloss und Naama, die sich hier zum allerersten Mal trafen, eine unfreiwillig kompetitive Komponente: Nachdem Taktloss in wildem BattleRap-Furor eine ganze Flasche Mineralwasser auf Publikum und Bühne verspritzt hatte, entwickelte sich die zu Beginn scheinbar funktionierende Chemie zwischen den beiden Künstlern unversehens zu einem Performance-Battle. Naama setzte die hektischen Raps und sperrigen Instrumentale in ebensolche Bewegungen um, nach der Wasserattacke tat sich die barfüßige Tänzerin aus Israel jedoch sichtbar schwer damit, auf der nassen Bühne nicht auszurutschen – bis sich ihre tänzerische Interpretation letztlich nur noch darauf beschränkte, das Ende des Taktloss-Programms abzuwarten.
Am Freitag wird Naama Unterstützung von Renate Graziadei erhalten, die als Koryphäe des zeitgenössischen Tanzes gilt. Ob die beiden Tänzerinnen gemeinsam genügend Kampfgeist aufbringen, um den rebellischen Rapper zu bändigen, das bleibt abzuwarten. Einen Gang runterschalten wird Taktloss jedenfalls nicht, das steht fest. Solcherlei Kompromisse entsprächen nämlich ganz und gar nicht seinem künstlerischen Anspruch. Im Gespräch weist er lieber darauf hin, dass man bald neue Musik von ihm hören kann – auf einem sonst rein instrumental gehaltenen Album des Produzenten Keyza Soze hat Taktloss den einzigen Rap-Beitrag. Er ist und bleibt eben eine Ausnahmeerscheinung.