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Archiv-Artikel

„Jetzt ist wieder Schwung im Reformprozess“

SERBIEN Suzana Grubjesic, Serbiens Vizeregierungschefin für EU-Integration, knüpft große Erwartungen an den Beginn der Beitrittsverhandlungen zur EU. Der Europäische Rat entscheidet in dieser Woche

Suzana Grubjesic

■ 50, ist Abgeordnete und Mitglied im Parteivorstand der liberalen Vereinigten Regionen Serbiens und seit 2003 im Parlament. Sie ist Politikwissenschaftlerin.

INTERVIEW ANDREJ IVANJI

taz: Warum ist es für Serbien so wichtig, dass ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen festgelegt wird?

Suzana Grubjesic: Weil die neue serbische Regierung in den vergangenen zehn Monaten so vieles in Bewegung gebracht hat, vor allem was die Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo angeht. Das war die Bedingung für die Fortsetzung des EU-Integrationsprozesses. Wir meinen, dass die Bemühungen Serbiens anerkannt werden, und das Land endlich, nach zwölf Jahren, die Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Diese Verhandlungen betrachten wir als eine Chance, Serbien in ein modernes europäisches Land zu transformieren, nicht als Belohnung. Es geht aber auch um die Glaubwürdigkeit der EU, die noch auf dem EU-Westbalkan-Gipfel in Thessaloniki 2003 den Ländern der Region vieles versprochen hatte. In der Zwischenzeit wird nun Kroatien am 1. Juli in die EU aufgenommen, alle anderen liegen weit zurück. Es wäre ein positives Signal, wenn gleichzeitig andere Staaten des Westbalkans Fortschritte erzielen würden, und Serbien hat es sicher verdient.

Wenn der Deutsche Bundestag dagegen stimmt, was heißt das innenpolitisch für Serbien?

Unsere europäischen Partner wissen, wie viel wir innen- und außenpolitisch erreicht haben. Es gibt keinen Grund dafür, dass Serbien ein Trostpreis erteilt wird, eine grundsätzliche Zustimmung, doch ohne konkretes Datum. Das und wieder neue Bedingungen für den Beginn der Beitrittsgespräche könnten dazu führen, dass dieser Reformenthusiasmus, der jetzt in Serbien zu spüren ist, die Begeisterung für den EU-Integrationsprozess, abflauen könnte. Premier Zoran Djindjic hatte gesagt, „wenn Serbien jetzt zum Stillstand kommt, wird es zehn Jahre brauchen, um es wieder in Bewegung zu bringen“. Genau das ist geschehen – er wurde vor einem Jahrzehnt getötet, und erst jetzt knüpfen wir da wieder an, erst jetzt ist es wieder zum Schwung im Reformprozess gekommen. Und Serbien braucht jetzt den Ansporn von Brüssel.

Verhandlungen ab 2014

Serbien und Kosovo sollen von der Europäischen Union belohnt werden. Deshalb haben sich die Außenminister der 27 EU-Staaten am Dienstag in Luxemburg darauf verständigt, „spätestens im Januar 2014“ mit den Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu beginnen. Dem muss der EU-Gipfel am Donnerstag noch formell zustimmen. Das Datum ist ein Zugeständnis an Deutschland. Der Bundestag muss noch zustimmen. Ursprünglich hatte Serbien auf den Verhandlungsbeginn im Herbst gesetzt. Mit dem Kosovo verhandelt die EU über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen als Voraussetzung für spätere Beitrittsverhandlungen. (taz)

Der EU-Enthusiasmus erreichte in Serbien vor wenigen Monaten ein historisches Tief von etwa 40 Prozent Zustimmung. Hat sich das geändert?

Ja. Die jüngsten Meinungsumfragen zeigen, dass nun 58 Prozent der Bürger Serbiens die EU-Integration unterstützen. Die Bemühungen der Regierung haben zu diesem Stimmungswechsel beigetragen. Und wenn ein Termin für den Beginn der Beitrittsverhandlungen festgelegt wird, wird der gegenwärtige positive Trend fortgesetzt. Die Menschen reagieren auf gute Nachrichten. Nach der Abschaffung der Visapflicht zum Beispiel stieg die EU-Unterstützung in der Bevölkerung auf über 70 Prozent. Wenn aber Brüssel nur Bedingungen stellt, dann schlägt sich das natürlich negativ auf den Gemütszustand der Nation nieder.