: Zwei Minuten für die Abschuss-Entscheidung
Fragen und Antworten zum Luftsicherheitsgesetz, über das die Karlsruher Verfassungsrichter heute entscheiden
Wie oft wird die Bundeswehr wegen verdächtiger Flugzeuge in Alarm versetzt?
Öfter, als man denkt. 2005 gab es in Deutschland mehr als 350 Fälle, bei denen der Funkkontakt zu einem Flugzeug abgebrochen war. Dies berichtete Klaus-Peter Stieglitz, Generalinspekteur der Luftwaffe, im November vor dem Bundesverfassungsgericht. In etwa 41 Fällen starteten darauf Jagdflugzeuge der Bundeswehr, um sich per Sichtkontakt davon zu überzeugen, dass keine Entführung vorliegt.
Wie verläuft so ein Sichtkontakt?
Das Jagdflugzeug der Bundeswehr fliegt an die Seite des verdächtigen Flugzeuges, und der Pilot der Bundeswehr schaut in das Cockpit des anderen Flugzeuges hinein. Wenn dort technisch alles in Ordnung ist, nimmt der Pilot spätestens jetzt wieder Funkkontakt auf. Falls ihm dies aufgrund eines technischen Defekts nicht möglich ist, macht er durch Gesten deutlich, dass keine Gefahr besteht.
Ist dies auch bei Schlechtwetter und Nebel möglich?
Grundsätzlich ja. Mit Hilfe des Radars kann der Bundeswehr-Jet an die Seite des verdächtigen Flugzeuges gelenkt werden. Wenn dichter Nebel allerdings den Sichtkontakt ausschließt, dann könnte ein zur Waffe umfunktioniertes Flugzeug auch sein Ziel nicht treffen. Die Anschläge vom 11. 9. 2001 waren nur bei Schönwetter möglich, so die Logik der Bundeswehr.
Wie oft wurde bisher der Abschuss eines Flugzeugs erwogen?
Nie. Nach Angaben von Stieglitz konnten alle Situationen rechtzeitig geklärt werden.
Wer würde den Feuerbefehl geben?
Die Entscheidung trifft der Verteidigungsminister. Falls er persönlich verhindert ist, muss ein anderer Minister einspringen.
Würde ein Passagierflugzeug ohne Vorwarnung abgeschossen?
Nein. Zunächst würde versucht, das Flugzeug abzudrängen und zum Landen zu zwingen. Vor einem Abschuss müsste die Bundeswehr auch Warnschüsse abgeben. Dabei würde echte Munition verwendet, da die Luftwaffe nicht mit Leuchtspurmunition ausgerüstet ist. Bisher musste aber noch nie ein Warnschuss abgegeben werden.
Wie schnell muss der Minister eine Entscheidung treffen?
Deutschland ist ein kleines Land. Wenn ein in Frankfurt gestarteter Jet von seinem Kurs abweicht, könnte er zum Beispiel Köln in wenigen Minuten erreichen. Die Jagdflugzeuge der Bundeswehr haben nur wenige Minuten Zeit, um die Situation abzuklären. Wenn sie eine Entführung feststellen, verbleiben etwa noch ein bis zwei Minuten, um auf die mutmaßlichen Entführer einzuwirken.
Trainiert die Bundeswehr auch den Abschuss von Flugzeugen?
Angeblich gibt es nicht einmal Planspiele dazu. Begründung: Bisher sei man stets weit von einer entsprechenden Situation entfernt gewesen. Zudem müsse man im Ernstfall ohnehin aufgrund des Gesamtbildes aller dann vorliegenden Informationen entscheiden. Diese Auskunft der Bundeswehr hatte bei den Verfassungsrichtern Kopfschütteln verursacht.
CHRISTIAN RATH