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Archiv-Artikel

Kunst als Endlos-Streifen

In der Düsseldorfer Black Box gibt es zwar einen Fünf-Stunden-Film zu sehen, aber kein Kino. Mischa Kuball macht in der Nacht mit seiner Karlsruher Klasse den Raum zum flimmernden Kunstmuseum

Ein Kino überschreitet seine klassische Aufgabe als Informationsträger und wird selbst zum Ausstellungsraum

VON PETER ORTMANN

Der Kunst-Film findet im Programm-Kino statt. Bildende Kunst findet sich irgendwann im Museum. Jetzt durchbricht der Düsseldorfer Medienkünstler Mischa Kuball mit seiner Karlsruher Hochschulklasse diese Kausalität und präsentiert Arbeiten der Studenten quasi museal auf der Leinwand des Off-Kinos Black Box. Eine Nacht lang flimmern dort 40 Beiträge im non-stop-streaming. Der Fokus lag dabei auf der Transformation der verschieden Medien auf die Leinwand des Kinos und auf der kollektiven Präsentation der unterschiedlichen Positionen.

Möglich macht das die Einführung des HDTV-Systems vor einem Jahr in der Black Box. Damit konnte das Kino (als erstes in Düsseldorf) neue Filmformate und auch neue Inhalte in einer sehr guter Qualität vermitteln. Das digitale System (High Definition Television) ermöglicht es, Filme zu zeigen, die ansonsten nicht zu sehen gewesen wären. Die sehr hohe Auflösung erzeugt vor allem mehr Details. „Und wir konnten natürlich über einen PC die sehr unterschiedliche Formate der Studenten einspeisen“, sagt Mischa Kuball.

Er lehrt seit 2004 an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Seit 20 Jahren ist er auch mit raumbezogenen Lichtkunst-Projekten in Nordrhein-Westfalen vertreten. Der spiegelverkehrte, blinkende Schriftzug am Eingang der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum stammt von ihm. Im Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna steht seine Arbeit „space-speech-speed“: Erst nach und nach gelingt es dem Betrachter dort, rasende Lichtpunkte als Textfragment zu identifizieren.

Schon im letzten Jahr wurde an der Karlsruher Medienakademie unter dem Titel „Empty Rooms“ die komplette Jahres-Ausstellung der Studenten in eine Zeitung transferiert und die Ausstellungsräume dafür leer gelassen. Damit bezog man eine neue Position im aktuellen Kunstdiskurs, gab eine erste Antwort auf die Frage nach den Präsentationsmöglichkeiten zeitgenössischer Kunst. Das fünfstündige „Black Box Screening“ wurde in einem diskursiven Prozess im Rahmen einer Plattform des Fachbereichs Medienkunst entwickelt. „Eine Metamorphose zum Museum ist dafür nicht nötig“, sagt Kuball. Das Kino war immer ein sozialer Ort in der Filme als eine der Kunstformen ausgestellt wurde. Jetzt, im Zeitalter der digitalen Bildverarbeitung, sind deren Projektion immer weniger an den Schwarzraum des Kinos gebunden.

Für den Besucher ergeben sich bei der Kunstbetrachtung allerdings neue Parameter. Niemand wird (und soll) dem gesamten Medienkunst-Stream über fünf Stunden folgen, auch wenn die Kinobestuhlung sicher komfortabler als die in einem Museum ist. Also stellen sich auch Fragen nach der relativen Zufälligkeit der betrachteten Arbeiten, denn eine freie Auswahl kann, nicht nur unter der Prämisse einer einzigen Leinwand, nicht mehr gegeben sein. Auch Dauer und Häufigkeit mit der ein Betrachter in einem „normalen“ Museum seine Auswahl genießt, fällt bei dem dauerhaften Stream auf der Leinwand weg: Um ein favorisiertes Werk noch einmal betrachten zu können, müssten ja mindestens fünf Stunden investiert werden. Künstler und Kuratoren nehmen dem Rezipienten so zwar wichtige Entscheidungsmöglichkeiten, dafür wird er allerdings Teil eines Prozesses, einer zeitgenössischer Transformation des Sehens, das durch die theatralen Konstruktion aus Bestuhlung und Bühne/Leinwand konzentrierter sein könnte. Die Studenten jedenfalls halten eine Differenzierung zwischen Arbeiten, die im „White Cube“ eines Museums oder Galerie gezeigt werden und ihres Dauer-Streams im Düsseldorfer Lichtspielhaus nicht mehr für notwendig.

Ab 19:30 Uhr (open end)Black Box, DüsseldorfEintritt freiInfos: 0211-8992490