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Archiv-Artikel

Mit Adenauer auf zu neuen Werten

Die CDU will heute über den Tag hinaus denken. Zum „Wertekongress“ in Berlin kommen Bischof Huber und der Enkel des Parteiübervaters. Für Patrick Adenauer ist „gesunde Wirtschaft“ Ausgangspunkt der Lösung aller gesellschaftlichen Probleme

VON LUKAS WALLRAFF

Es steht zu erwarten, dass Angela Merkel heute von ihrem Schatz erzählt. Mittags in einem Berliner Hotel. Vor allen Leuten und ausführlich. Weil die Kanzlerin das selten tut, werden achthundert geladene Gäste gespannt lauschen, Phoenix überträgt live.

Die Neugier ist verständlich, schließlich ist es über ein Jahr her, dass Merkel über ihren Schatz geredet hat. Seitdem ist er etwas in Vergessenheit geraten. „Das C in unserem Namen ist unser Schatz“, verkündete Merkel auf dem letzten CDU-Parteitag. Nun wird er wieder ausgegraben, denn die Funktionäre der Christlich-Demokratischen Union treffen sich zu einer Veranstaltung, die sie „Wertekongress“ nennen.

Da erinnert man sich gern an die eigenen Wurzeln. Nicht nur die christlichen. Eingeladen ist unter anderem ein Enkel Konrad Adenauers. Ein Bildnis seines Opas wird Merkel übrigens morgen in ihrem Büro aufhängen. Doch das nur nebenbei. So wie alle Teilnehmer höchstens heimlich an die kommenden Landtagswahlen denken werden.

Christoph Böhr zum Beispiel muss Ende März in Rheinland-Pfalz gegen den SPD-Landesvater Kurt Beck antreten. Da trifft es sich gut, dass Böhr auch Vorsitzender der CDU-Wertekommission ist und als solcher heute eine schöne Rede halten darf. Offiziell hat das eine mit dem anderen natürlich nichts zu tun. Offiziell geht es darum, mal über den Tag und den nächsten Kabinettsbeschluss hinauszudenken, so etwas wie Orientierung ist gefragt.

Einfach nur politische Entscheidungen zu treffen reiche nicht, so Bundestagspräsident Norbert Lammert. „Wir müssen schon die Frage nach dem Warum beantworten“, erklärte Lmmert der Berliner Zeitung, „das haben wir aus unserem schlechten Wahlergebnis gelernt.“

Schlechtes Wahlergebnis? Fast hätte es die CDU vergessen, die sich seit Wochen über ihre guten Umfragewerte freut und vielleicht auch deshalb kaum noch über andere Werte spricht. Warum auch? „Die Wahlentscheidung der Menschen hat mit praktischem Handeln zu tun“, ließ Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust im Tagesspiegel wissen. „Wir müssen uns weder neu ausrichten noch neu definieren“, findet Beust und tut so, als sei es kein Widerspruch dazu, dass er seiner Partei im selben Interview „eine gewisse Sozialdemokratisierung“ empfiehlt, ohne diese zu erläutern. Pirouetten dieser Art dürfte es heute mehrfach geben. Die beiden Parteivizes Christian Wulff und Jürgen Rüttgers bleiben da lieber gleich fern: wichtigere Termine.

Dabei soll der Kongress den Auftakt einer Grundsatzdebatte bilden, die Parteichefin Merkel im Herbst angekündigt hatte. Weil am 18. September überraschend viele Wähler die Orientierung, sprich den Glauben an die CDU, verloren, gab sie Böhr den Auftrag, hurtig ein paar Thesen zu den eigenen Werten aufzustellen. Besonders weit ist er dabei nicht gekommen. Die Partei, erklärte Böhr am Wochenende, müsse überlegen, „was das christliche Menschenbild heute im Alltag bedeutet“. Hilfestellung leistet heute Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche.

Patrick Adenauer wiederum dürfte nicht nur wegen seines berühmten Namens auf dem Podium sitzen. Offensichtlich gefiel Merkel, was er bei seiner Antrittsrede als Präsident der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer kundtat. „Eine gesunde Wirtschaft ist Ausgangspunkt zur Lösung aller gesellschaftlichen Probleme“, rief Adenauer, nur so könne es auch individuelles Lebensglück geben. „Das Fundament dafür heißt: wirtschaftliche Freiheit!“ Ob Merkel ähnlich dachte, als sie der Union den neuen Leitspruch gab: „Neue Gerechtigkeit durch mehr Freiheit“? Der Chef des Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, scheint es zu fürchten. „Dieser Leitspruch ist geeignet, unsere Partei auf einen Irrweg zu führen“, warnte er gestern. Ihm fehlt ein Begriff: die Solidarität.