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Archiv-Artikel

Geld für die Unis

BILDUNG Hinter verschlossenen Türen berät am kommenden Mittwoch der Wissenschaftsrat über Perspek-tiven des Hoch-schulsystems

VON BERND KRAMER

In Sachsen-Anhalt hört man sie schon, die Trillerpfeifen. 5.000 Menschen protestierten am Mittwoch vor der Universität in Halle: „Friede den Hörsälen“ steht auf einem Transparent. 50 Millionen Euro will das Land bei den Hochschulen einsparen, eine standhafte Wissenschaftsministerin, die gegen den Kahlschlag rebellierte, wurde kurzerhand entlassen.

In Sachsen-Anhalt passiert das, was andernorts droht. In der Wissenschaftspolitik wird um Milliarden gerungen, so heftig wie lange nicht mehr. Eine sonst eher nüchterne Szene blickt mit Spannung auf den kommenden Mittwoch, wenn in Braunschweig drei Tage lang hinter verschlossenen Türen der Wissenschaftsrat berät, das wichtigste Beratungsgremien der Regierung in der Hochschul- und Forschungspolitik. Der wichtigste Tagesordnungspunkt ist ein 90-Seiten-Papier mit dem Titel „Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems“.

Wie soll es mit Unis, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten weitergehen? Woher kommt das Geld und wie viel? Die großen Förderprogramme laufen in den kommenden Jahren aus. 2017 endet die Exzellenzinitiative, mit der vielversprechende Forschungsvorhaben an den Unis gefördert werden. 2020 endet der Hochschulpakt, mit dem der Bund den Studienplatzausbau unterstützt, 2015 der Pakt für Forschung und Innovation, der den außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck-Instituten mehr Geld zusichert. Es geht um Milliarden, die ausbleiben könnten.

Seit der Förderalismusreform von 2006 hat der Bund kaum noch Möglichkeiten, selbst in Hochschulen zu investieren. Geld aus Berlin darf nur ausnahmsweise und zeitlich befristet an die Unis fließen. Ansonsten sind die Territorien streng abgesteckt: Bildung und Wissenschaft ist Sache der Länder. Bloß: Die können immer schlechter für die Kosten aufkommen. Spätestens wenn in einigen Jahren die Schuldenbremse greift, dürften die Finanzminister auf die Hochschuletats aufmerksam werden – wie jetzt in Sachsen-Anhalt. Auf der Suche nach Auswegen haben sich die Wissenschaftsakteure in Stellung gebracht – Hochschulen gegeneinander und gemeinsam gegen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Der Tag, der alles geändert hat, ist der 19. Oktober 2007. Um 11.45 Uhr klingelt das Handy; Bernhard Eitel, frisch gekürter Rektor der Universität Heidelberg, sitzt im Auto, als ihn die Nachricht erreicht. Die Hochschule konnte sich in der Exzellenzinitiative durchsetzen, sie gehört nun zu den wenigen, die den Elitetitel und für einige Jahre zusätzliche Millionen bekommen. Klar, dass Eitel diesen Status verteidigen will. Inzwischen hat sich Heidelberg mit 14 weiteren Unis, viele von ihnen ebenfalls siegreich im Exzellenzwettbewerb, zum Club der U15 zusammengeschlossen. Diesen Sommer will der Uni-Verein ein Berliner Büro am Reichpietschufer eröffnen, 7 Autominuten vom Bundestag entfernt, 8 vom Forschungsministerium. „Die Länder sind derzeit und in der näheren Zukunft nicht in der Lage, ihre Forschungsuniversitäten international konkurrenzfähig und nachhaltig zu finanzieren“, sagt Eitel, der Clubvorsitzende. Der Bund soll dauerhaft Hochschulen finanzieren – vor allem die im U15-Club zusammengeschlossenen. Andere Unis fragen sich bang: Ist das die Zukunft der Wissenschaft in Deutschland – üppig vom Bund geförderte Leuchtturmhochschulen und ein verhungernder Rest?

Riesige Geräte betreiben die Helmholtz-Zentren, einen 120 Meter langen Teilchenbeschleuniger in Darmstadt etwa, diverse Forschungsflugzeuge, Satelliten im Weltraum, Hochleistungsrechner. Forschungsinstitute jenseits der Hochschulen – wie die Helmholtz-Zentren – sind eine deutsche Besonderheit. Sie sind die einzigen Wissenschaftseinrichtungen, die der Bund direkt auf Dauer mitbezahlt: die Leibniz- und Max-Planck-Institute je zur Hälfte, die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft zu 90 Prozent. Auch deswegen sind die Außeruniversitären mächtig geworden in den vergangenen Jahren. Ein 11-Milliarden-Budget vereinigen sie auf sich, fast genauso viel, wie allen Hochschulen zusammen für die Forschung zur Verfügung steht. Entsprechend schicken sie sich an, die neu hochgezogenen, aber prekären Exzellenzprojekte der Unis zu übernehmen. Die Max-Planck-Gesellschaft interessiert sich für die Doktorandenausbildung, die Leibniz-Gesellschaft würde Forschungsverbünde gern in eigene Institute umwandeln. Helmholtz mit seinen Großgeräten empfiehlt sich als zentraler Player im System.

Das geht den zerstrittenen Hochschulen zu weit. „Ich halte nichts davon, wenn wir Projekte dauerhaft in außeruniversitäre Einrichtungen auslagern“, sagt Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Der Deutsche Hochschulverband, die Standesvertretung der Professorenschaft, legt sich ganz offen mit Helmholtz und Co an – und fordert, dass das Geld künftig vor allem wieder in die Hochschulen fließt. Unisono verlangen alle, dass die Verfassung geändert und der Bund leichter und dauerhaft Universitäten mitfinanzieren kann.

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates dürften eine Blaupause liefern für das, was nach den Wahlen passiert. Der erste Entwurf, so ist zu hören, soll im Gremium durchgefallen sein. Das streng geheime Papier soll für die Sitzung am kommenden Mittwoch komplett überarbeitet worden sein.