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Archiv-Artikel

Feinstaub darf lange schweben

Der Bundesumweltminister will eine Feinstaub-Plakette für Autos einführen. Das freut die Umweltsenatorin. Eine frühere Sperrung der Innenstadt für Dieselstinker lehnt sie ab

Über Feinstaub haben der Bundesumweltminister und Ingeborg Junge-Reyer schon des Öfteren gefachsimpelt. Erst im November erläuterte die SPD-Umweltsenatorin ihrem Parteigenossen, warum eine Feinstaubplakette für Autos dringend nötig sei. Sigmar Gabriel hat gut zugehört. Morgen will er dem Kabinett eine Verordnung für eine solche Plakette vorlegen. Die Verkehrssenatorin freut’s: „Berlin hat in Bundesratsinitiativen immer für die Plakette gekämpft. Ihre Einführung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir unseren Luftreinhalteplan umsetzen können“, sagte Junge-Reyer gestern.

Der Plan sieht vor, dass ab 2008 nur noch Autos in die Innenstadt innerhalb des S-Bahn-Rings fahren dürfen, die mindestens die Schadstoffklasse Euro 2 erfüllen – besonders Dieselstinker müssten draußen bleiben. Die Plakette, die Autos künftig in fünf Schadstoffklassen einteilen soll, kommt Junge-Reyer dabei mehr als gelegen. Von ihr und einem Verkehrsschild hatte die Behörde ihre Umweltzone abhängig gemacht.

Von einer früheren Einführung des Fahrverbots hält sie nichts – trotz des überraschenden Beistands. „Die Menschen brauchen die Zeit, ihre Autos umzurüsten“, sagt eine Sprecherin. Der kleine Gemüsehändler, der seinen Laden in Mitte beliefere, brauche einen „Vertrauensschutz“. Auch SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz hält die frühere Einführung einer Umweltzone für unrealistisch: „Das wäre wünschenswert, aber die Filtertechnik für Lkws ist im Moment noch nicht ausreichend verfügbar.“ Angesichts ungezählter alter Ford Transit im Einzelhandel fragt Buchholz: „Wer liefert dann die Lebensmittel in die Stadt?“

Umweltverbände und Grüne fordern dagegen eine Sperrung der Innenstadt ab 2007. Kleine Händler müsse der Senat eben bei der Aufrüstung ihrer Lieferwagen unterstützen, sagt die grüne Umweltexpertin Felicitas Kubala. Auch das Argument, die deutsche Industrie könne nicht die richtige Technik liefern, leuchtet ihr nicht ein: „Wenn die Nachfrage da ist, werden die Filterhersteller reagieren.“

Trotz aller Kritik werden die BerlinerInnen die Innenstadt bis 2008 wohl mit Dieselstinkern teilen müssen. Auch weil die Vorbereitung der Sperrung dauert. Verkehrsschilder müssen aufgestellt, Plaketten gestaltet und ausgegeben, Polizisten geschult werden. „Wir werden für ca. 1 Million Fahrzeuge Plaketten ausgeben“, sagt die Behördensprecherin. Als Anschaffungspreis waren 10 Euro im Gespräch. Dass es die Plakette des Umweltministers durch die Gremien schafft, gilt als wahrscheinlich. Kurz vor der Bundestagswahl war sein Vorgänger Jürgen Trittin mit einer ähnlichen Idee im Bundesrat gescheitert. Durch die große Koalition scheint jetzt die Mehrheit in Bundestag und Bundesrat gesichert. ULRICH SCHULTE