„Alle Wesen schützen“

RESSOURCEN Heute wird der Biokratie-Preis verliehen. Er belohnt Forschungen über die Rechte der Natur

■ 71, Jurist, Unternehmer, hat das Haus der Zukunft mitgegründet. Er ist Stifter des seit 2012 verliehenen Biokratie-Preises.

taz: Herr Winter, was meinen Sie mit „Biokratie“?

Georg Winter: Eine erweiterte Demokratie, in der nicht nur die Menschen, sondern alle Lebewesen als Staatsvolk anerkannt werden und Grundrechte haben.

Heißt das, Kühe und Rosen sollen Wahlrecht haben?

Nein, natürlich nicht. Aber alle Lebewesen sollen sowohl als Individuen als auch im Verband geschützt werden – samt Biotopen und Landschaft. Nur dann kann einerseits die Natur insgesamt und andererseits der Mensch überleben.

In Ihrem Manifest zur Biokratie steht: „Wertkonflikte sollen in gewissenhafter Abwägung entschieden und bedrohtes Leben entschlossen verteidigt werden.“ Soll im Zweifel der Mensch überleben oder seine Krankheitsbakterien?

In diesem Fall würde ich mich natürlich immer für die medizinische Behandlung des Menschen stark machen.

Und wenn Maulwürfe oder Ameisen Ihrem Garten schädigen?

Dann stehe ich auf der Seite der Ameisen und Maulwürfe.

Auch wenn die Ameisen in Ihre Küche kriechen?

Dann suche ich Wege, sie wegzuschaffen, weil ich annehme, dass eine genügend große Population übrig bleibt.

Ist es aber für das Überleben des Planeten nützlich, ausgerechnet den Menschen zu schützen?

In der Tat könnte die Erde ohne den Menschen leben, aber nicht umgekehrt. Andererseits hat der Mensch die Vernunft, um nicht alles zu tun und zu zerstören, was ihm möglich wäre.

Wen belohnen Sie mit Ihrem Biokratie-Preis?

In erster Linie juristisch relevante wissenschaftliche Arbeiten. Auf dieser Ebene muss man ansetzen und dem Gesetzgeber Hinweise geben. Er reicht ja nicht zu sagen: „Seid nett zur Natur.“ Die Natur muss klar formulierte Rechte haben, damit sich etwas ändert. Die Sklaverei wurde ja auch erst mit den verbrieften Menschenrechten abgeschafft.

Ihre Forderung an die Politik?

Von der Bundespolitik, dass sie das Umweltgesetzbuch fertigstellt, das seit 2009 brach liegt. Und die UNO sollte die Erklärung der Menschenrechte um die Erklärung der Rechte der Natur ergänzen. Denn die Menschenrechte können nur garantiert werden, wenn die Natur bewahrt wird: Wenn das Trinkwasser erschöpft ist, nützt die Meinungsfreiheit auch nichts mehr.

INTERVIEW: PS

Symposion „Natur im Recht – Rechte der Natur“ mit anschließender Verleihung des Biokratie-Preises: 14 Uhr, Gästehaus der Universität