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Archiv-Artikel

Ich singe auch für Pflanzen

ÖKO-RAP Er studiert Agrarwissenschaften und reimt auch noch drüber. Deutschlands erster Ökorapper Meyah Don arbeitet seit 15 Jahren und vier Alben daran, den Umweltschutz als Rap-Thema durchzusetzen

Mit dem ersten Album „Pflanzenmensch“ erfand er den grünen Superhelden „Plantman“

VON THOMAS WINKLER

Heute Morgen hat er den Oregano zurück im Leben begrüßt. Hat ihn beglückwünscht, dass er den harten, langen Winter überstanden hat, draußen auf dem Balkon. „Super, dass du noch da bist“, hat er ihm gesagt. Nicht laut, aber doch zum Kräuterstrauch. Denn Tim Hirschfeld redet nicht mit Pflanzen. Nicht mehr. Heute, sagt er „ist das eher eine gedankliche Kommunikation“. Dazu steht er. Und mehr als das. Er studiert Agrarwissenschaften und er schreibt auch noch Reime drüber. Dann trägt er den Künstlernamen Meyah Don und rappt: „Hier kommt der Ökorapper Nummer eins“.

Zugegeben: So schwer ist das nicht. Denn Meyah Don ist nicht nur der beste Ökorapper, den diese unlängst noch von den Grünen regierte Republik bislang hervorgebracht hat, er ist schlicht der einzige. Der Grund ist simpel: Der Umweltschutz ist bislang noch nicht in den Kanon der wirklich relevanten Rap-Themen aufgenommen worden. Das zu ändern, daran arbeitet Hirschfeld nun schon seit gut anderthalb Jahrzehnten und jetzt vier Alben. Das letzte heißt „Mit Herz und Seele“ und ist, so sagt er, längst nicht so radikal und aggressiv wie die früheren. Seine älteren Veröffentlichungen waren, hat er einmal gesagt, bisweilen „umweltfaschistisch“. Heute sagt er: „Damals war ich ein Misanthrop“.

Hirschfeld ist jetzt 34 Jahre alt und im Mai wird er zum ersten Mal Vater. Vor allem aber hat er begriffen, dass man die Welt nicht dadurch ändern kann, indem man die Leute beschimpft, die sich ändern sollen. Schon auf seinem ersten Album „Pflanzenmensch“ (2000) stand die Ökologie im Mittelpunkt. Damals erfand er den grünen Superhelden „Plantman“, der sich auch durch verschiedene Tracks der neuen Platte kämpft, immer im Dienste der Umwelt. Eminem hatte seinen Slim Shady, Meyah Don hat seinen Plantman, „halb Pflanze, halb Mensch“ und in gewisser Weise das Alter Ego des Rappers.

Der Privatmensch Hirschfeld sagt: „Ich bin kein Aktivist.“ Aber er versucht so umweltbewusst wie möglich zu leben. Er pflegt liebevoll die Pflanzen, die das halbe Wohnzimmer der überschaubaren Altbauwohnung in Wilmersdorf einnehmen. Gleich nebenan im Flur allerdings präsentiert Hirschfeld in einem Regal seine Sammlung aus Sneakers und Baseball-Kappen bekannter Markenhersteller. „Da prallen die Welten aufeinander“, lächelt er. Und zitiert dann einen seiner eigenen Raps: „Ist das nicht die Dekadenz, von der du dich ein Gegner nennst?“

Gummibärchen und Braunhirse

Aber weil man zumindest versuchen muss, ein richtiges Leben im falschen zu leben, stehen in der kleinen Küche die Gummibärchen friedlich neben der Braunhirse und Hirschfeld rappt über das, was ihn schon immer beschäftigt hat: Über die Verantwortung des Menschen für seine Umwelt, denn er will „ein anderes Bewusstsein schaffen, Denkprozesse in Gang setzen“. Er fragt sich, ob er ein guter Bauer sein könnte, oder er singt eine von Clemens Brentano inspirierte Ode an Mutter Natur.

Die erforscht Hirschfeld auch in seinem Hauptberuf als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU. Momentan schreibt der Diplom-Agraringenieur an seiner Promotion, in der er Einflüsse auf eine Schimmelpilz-Gattung namens Fusarium untersucht. Dass er sich auch noch für Schamanismus und Naturreligionen interessiert, an die Aura von Pflanzen glaubt, das kollidiert nur manchmal mit der Wissenschaft: „Ich finde auch in meiner Arbeit immer wieder Bestätigung für das Übernatürliche.“

Der Mann meint es ernst. Das hört man den Beats an, über denen Meyah Don auf „Mit Herz und Seele“ rappt, sie sind düster, sie künden von einer dunklen Zukunft. Das merkt man aber auch an der Ablehnung, die dem selbsternannten Ökorapper von den Rap-Kollegen bisweilen entgegenschlägt. Als Gutmensch und Biospießer, als Müslifresser und „schwuler Student“, wie ihn Bass Sultan Hengzt mal nannte, lebt es sich nicht so einfach in einer Szene, die zum Teil immer noch geprägt ist von altertümlichen Männlichkeitsritualen. „Ich werde eher belächelt von vielen im Berliner Rap-Business, die können mit meiner Musik nichts anfangen“, sagt Hirschfeld, „aber ich kann mit denen ja auch nichts anfangen.“

Aber auch bei den hauptberuflichen Biospießern fand er keinen Anklang. Eine angestrebte Zusammenarbeit mit Umweltorganisationen scheiterte, sagt Hirschfeld, an der Bürokratie, aber vor allem an der dort immer noch virulenten Ignoranz gegenüber HipHop, die geprägt ist von Eindrücken, die die kommerziell erfolgreichen Gangsta-Rapper in den Medien vermitteln.

So sitzt Meyah Don als Rapper zwischen allen Stühlen. Ohne allerdings groß darunter zu leiden. Die Karriereoption Musikgeschäft hat er nie ernsthaft erwogen, er will als Agrarwissenschaftler arbeiten. Das Touren hat ihn schnell genervt, auf die Bühne hat es ihn nie gedrängt: „Ich hab kein Talent zum Animateur.“ Er schreibt seine Texte und die wird er auch weiterhin schreiben, weil er sie schreiben muss, „aber ich mache die Musik erst einmal für mich selbst, um meine Gedanken zu ordnen und den Kopf freizubekommen“.

Und weil in diesem Kopf Ökologie ein großes Thema ist, fließt das in die Texte ein. Doch ein Image, eine Marktlücke sollte der Ökorapper nie sein. Der Bio-Boom ist an Meyah Don auch restlos vorbei gegangen. Von seinen Alben hat er jeweils ungefähr 2.000 Stück verkauft. „Bio sells“, das gilt bislang noch nicht im Rap-Geschäft.

■ Meyah Don: „Mit Herz und Seele“ (Edit)