BESOFFEN VON SICH SELBST, STELLT MARKTFÜHRER RTL VOR, WAS DER SENDER KÜNFTIG IM FERNSEHEN MACHT
: Wo sind die Talents?

DAVID DENK

Zum Entwerfen kommt Guido Maria Kretschmer wohl kaum noch. Der Modedesigner ist jetzt nämlich Sendergesicht. Von Vox („Shopping Queen“) hat er den Sprung zu RTL geschafft, wo er „Die schönste Frau Deutschlands“ suchen und in der Jury von „Das Supertalent“ sitzen wird – neben dem unkaputtbaren Dieter Bohlen.

Die Beförderung ist für Kretschmer erfreulich, für den Zuschauer jedoch ein Indiz dafür, dass auch unter dem neuen Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann, der verlorene Marktanteile zurückholen soll, erst mal keine großen Überraschungen zu erwarten sind – na gut, außer dem Nationalelf-Deal (s. Medienseite). Und „noch stärker journalistisch positionieren“ will Hoffmann den Sender – was bei RTL heißt, dass man Angela Merkel und Peer Steinbrück mit Bürgern sowie je einem Promi – Joachim Llambi und Christian Rach – an einen Tisch bringt und diskutieren lässt.

Aber sonst? Das „Familienduell“ wird als „Prominenten-Special“ wiederbelebt, moderiert von Daniel Hartwich, der gleich im Anschluss die „VIP-Edition“ der Spielshow „Cash Crash“ präsentieren darf; beim Dschungelcamp ist er natürlich auch wieder dabei. Wo bitte sind die neuen Talente, oder, um es im RTL-Sprech zu sagen: „Talents“?

Und wo die neuen Ideen? Bei der Programmpräsentation in Hamburg stellte Hoffmann am Mittwoch etwa die eigenproduzierte Serie „Der Knastarzt“ vor, die „zwei Gene“ kombiniere: „einmal Medical, einmal Crime“. Ein Ausbau zur „Weekly“ sei denkbar. Was allein schon gut funktioniert, muss als Kreuzung doppelt so gut ankommen – das ist die schrecklich schlichte RTL-Logik.

Außerdem neu: die „Romantic-Drama-Serie“ „Doc meets Dorf“ und „Schmidt – Chaos auf Rezept“ – kennt man die Titel, kennt man die Serie. „Schmidt“ erinnert stark an „Herzog“, den von Niels Ruf gespielten Scheidungsanwalt, wie „Schmidt“ ein zynischer Machosack.

Beim „Dream-Team der deutschen Fernsehunterhaltung“ sind die Hoffnungen von RTL ausnahmsweise mal deckungsgleich mit meinen eigenen. Die Eventshow „Die Zwei – Gottschalk & Jauch gegen ALLE“, moderiert von Barbara Schöneberger, verspricht tatsächlich ein Highlight der kommenden Saison zu werden – vorausgesetzt, das Konzept trägt und verlässt sich nicht nur auf die Frotzeleien der beiden alten Weggefährten.

In einem hübschen Trailer übt Thomas Gottschalk den Senderclaim „Mein RTL“. „Es läuft noch nicht“, stellt Gottschalk fest, der aber trotzdem die beiden Jubiläumsshows „30 Jahre RTL“ im Januar moderieren darf. Diese Selbstironie geht seinem (nicht mehr ganz so) neuen Heimatsender sonst leider völlig ab. Stattdessen ist man beseelt von einer bizarren Hybris: Die wohlfeile „Real-Life-Doku“ „Generation Luxus“, eine Art Elendstourismus-Bootcamp, in der Orsay-Kundinnen in den Nähereien ihrer Billigtops mitarbeiten müssen, bezeichnet Hoffmann allen Ernstes als „Format, über das ganz Deutschland sprechen wird“. Und das Dschungelcamp ist für ihn nicht etwa Trash, sondern der „Stachel“, den RTL nie verlieren dürfe. Also bei mir pikst da gar nichts.