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Archiv-Artikel

Europas Studierende stoßen an Grenzen

HOCHSCHULREFORMEN Die Bilanz nach zehn Jahren Bologna-Prozess ist durchwachsen. Vor allem bei der gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen hapert es. Auch fehlt es an Geld und Informationen

Europaweit ist unklar, wie gut der Bachelor auf den Arbeitsmärkten ankommt

BERLIN taz | Der europäische Hochschulraum vom Bosporus bis zum Atlantik steht. Allein die Studierenden können sich darin nur mühsam bewegen. Denn obwohl 46 europäische Länder ihre Hochschulsysteme einander angeglichen haben, klappt die gegenseitige Anerkennung der Studienleistungen schlecht, und es mangelt an Geld und Informationen. Das ist das Fazit nach 10 Jahren Bologna-Prozess, welches die Vereinigung Europäischer Hochschulen (EUA) zieht.

Sie befragte dazu 821 Hochschulen und deren Vertretungen sowie 27 nationale Rektorenkonferenzen. Ihre Studie „Trends 2010“ stellt die Europäische Hochschulvereinigung am Donnerstag offiziell zur Tagung der Bildungsminister aus den 46 Bologna-Staaten vor. Diese treffen sich bis Freitag in Wien und Budapest, um den Bologna-Prozess zu feiern und sich abzustimmen, wie es bis 2020 weitergeht.

1999 unterzeichneten die Staaten im italienischen Bologna die sogenannte Bologna-Erklärung. Darin vereinbarten sie bis 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen – mit international attraktiven Hochschulen, zwischen denen sich Lehrende und Studierende frei bewegen können. Im Zuge dessen wollten sie Studienabschlüsse einheitlich nach Bachelor-, Master- und Doktortitel staffeln und Leistungen in einer gemeinsamen Währung, den Credit Points, abrechnen.

Die gute Nachricht der „Trends“-Studie ist, dass 95 Prozent der Hochschulen ihre Studiengänge folgsam umgestellt haben. Auch in Deutschland haben die europäischen Abschlüsse Diplom und Magister zu 80 Prozent ersetzt.

Doch während die technischen Details gut dokumentiert sind, gibt es zur Qualität des Bologna-Prozesses wenig Daten. Eines der Hauptziele der Bologna-Länder ist es, die Mobilität der Studierenden zu fördern. Wie mobil sie tatsächlich sind, hat jedoch niemand erhoben. Laut Studie erwartet knapp die Hälfte der befragten Hochschulen, dass die einheitlichen Abschlüsse die Mobilität leicht verbessern. Jede fünfte Einrichtung gibt aber an, dass sich dadurch nichts verbessert.

Die Autoren der „Trends“-Studie kritisieren, dass es gleichbleibend große Unterschiede zwischen Ost und West gibt, wie frei sich Studierende über Ländergrenzen hinweg bewegen können. Der erklärten Freiheit stehen viele Hindernisse gegenüber: Schwierigkeiten durch Visumsbeschränkungen, Sprachbarrieren, aber auch hausgemachte Probleme. So hat sich die wechselseitige Anerkennung der Studienleistungen seit 2003 nur minimal verbessert. Damals berichteten 41 Prozent der Hochschulen, dass ihre Studierenden, die aus dem Ausland zurückkehrten, keinerlei Probleme gehabt hätten, sich ihre Leistungen anerkennen zu lassen. Der Anteil der Hochschulen, die das bejahen können, ist sieben Jahre später um ganze drei Prozentpunkte gestiegen.

„Die Anerkennung von Studienleistungen ist ein großes Problem“, bestätigt Ligia Deca von der Europäischen Studentenunion (ESU). Die Studenten legten am Mittwoch eine eigene Bologna-Bilanz vor. Die Unsicherheit darüber, ob Leistungsnachweise anderer Unis akzeptiert werden, sei für mobile Studierende ein entmutigender Faktor, heißt es da. Außerdem beklagen die Studierenden fehlende finanzielle Unterstützung. So haben in Polen, in Slowenien, aber auch in Portugal viele Studierende Probleme, Darlehen und Stipendien für Auslandsaufenthalte zu erhalten.

Auch die „Trends“-Studie konstatiert, dass viele Staaten die Bologna-Reformen nur unzureichend finanziert hätten. Nicht nur in Deutschland sind Studiengänge eilig auf drei Jahre zusammengekürzt, mit Stoff überfrachtet und wenig Personal ausgestattet worden.

Und europaweit ist unklar, wie gut der eigentlich berufsqualifizierende Bachelor auf den Arbeitsmärkten ankommt. „Es gibt starke Hinweise darauf, dass viele Institutionen erwarten, dass ihre Bachelor-Studierenden bis zum Master weiterstudieren“, heißt es in der „Trends“-Studie. Denn Arbeitgeber scheinen Masterabsolventen und Doktoranden leicht zu akzeptieren.

„Wir befinden uns mit unseren Problemen in europäischer Gesellschaft“, sagt Jan Rathjen von der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Diese begrüßt, dass sich die Politiker bei ihrer Jubiläumskonferenz erst einmal keinen neuen Ziele für Phase zwei des Bologna-Prozess setzen wollen. ANNA LEHMANN