Absurdes Schnippen mit den Fingern

KONZERT Palminger und 440 Hz Trio mit Lyrik und Jazz im About Blank

Wenn man bedenkt, wie viel Unglück Musik über die Menschen gebracht hat

Natürlich ist der Jazz heutzutage nicht mehr das gleiche Ding wie zu seiner vitalen Zeit, sagen wir mal noch in den Fünfzigern. Da war der Jazz mehr so eine existenzialistische Vergewisserung. Eine bohemistische Angelegenheit. Der Swing, der einen überhaupt durchs Leben treiben konnte. Und mittlerweile taugt der Jazz halt auch mit seinem Fingerschnippen für jedes Sommerfest eines Sparkassenverbands.

Und das ist ja bereits der erste Witz, diese nur noch ironisch augenzwinkernd anzugehende Spannung, bei dem neuen Projekt von Jacques Palminger, mit dem der umtriebige Künstlerbohemian und das eine Drittel des durch seine absurden Telefonstreiche bekannt gewordenen Trios Studio Braun am Samstag sein Publikum im hübsch angewilderten Garten vom About Blank, ja doch, bespaßte.

„Jzz & Lyrk“ nennt sich das, und trotz der fehlenden vokalen Zähne sieht sich Palminger dabei durchaus in einer losen Tradition zu den Versuchen in Deutschland, als man in den Sechzigern im Westen mit dieser Doppelspitze gern zum Beispiel Heine flott machte und sich im Osten in der DDR mit der Veranstaltungsreihe „Jazz und Lyrik“ die offizielle Kulturproduktion mal die Krawatte ein wenig lockerte, ohne sie gleich ganz abzunehmen.

Das im Quartett angetretene 440 Hz Trio um den einstigen Sterne-Keyboarder Richard von der Schulenburg spielte also so einen fingerschnippenden Sparkassenverbands-Jazz, kannte auch den Beatmessen-Sound und drängte manchmal doch etwas energischer in Richtung Jazzkeller, ohne je wirklich heftig werden zu wollen. Und Palminger, im braunen Anzug und mit festgezurrter Krawatte, erzähle dazu salbungsvoll Geschichten, in denen sich irre Allmachtsfantasien (dass etwa alle Frauen durch einen seltsamen Sud schwanger würden von ihm und die Kinder dann alle seinen Namen trügen) mit Erzählungen wechselten, die sogar mit einer vagen Moral am Ende verziert waren: Wie er bei einer Wallfahrt nach Memphis mal am falschen Grab von Elvis stand und sich die vorzeitig vergossene Träne kein zweites Mal abdrücken konnte.

Bevor diese launigen Plaudereien mit Palminger, schwadronierender Klassenkasper und absurdistisch wiedergeborener Heinz Erhardt gleichermaßen, in Langeweile münden konnten, machten er und das 440 Hz Trio rechtzeitig Schluss, nicht bevor aber noch ganz ironisch-unironisch ein richtiges Schlagzeugsolo untergebracht war. Schließlich spielte man hier ein Jazzkonzert. Aufrichtig wurde selbst das tüchtig beklatscht. Und als einen der abgründigeren Sätze Palmingers durfte man folgenden nach Hause tragen: „Wenn man bedenkt, wie viel Unglück Musik schon über die Menschen gebracht hat.“ THOMAS MAUCH