Das Montgomery-Statut

Die Redaktion der „Berliner Zeitung“ hat gestern ein Redaktionsstatut verabschiedet und einen Redaktionsausschuss gewählt, um das Blatt gegen seine neuen Besitzer zu verteidigen

aus Berlin STEFFEN GRIMBERG

Der Chefredakteur der „Berliner Zeitung“ und seine Stellvertreter werden vom Aufsichtsrat der BV Deutsche Zeitungsholding und der Geschäftsführung des Berliner Verlags bestimmt. (…) Widersprechen wenigstens zwei Drittel der Redaktionsmitglieder, so wird die Berufung oder Abberufung nicht vorgenommen.

Seit gestern Nachmittag hat die Berliner Zeitung ein Redaktionsstatut mit dem oben zitierten Paragrafen 4. Und der britische Medienunternehmer David Montgomery und seine BV Deutsche Zeitungsholding wieder einmal ein Problem mehr. Denn sein ehrgeiziges Projekt, unter internationalen Spielregeln und mit immens hohen Renditeerwartungen ein neues großes Zeitungshaus für Deutschland zu schaffen, hakt immer deutlicher.

Die 94 anwesenden RedakteurInnen der Berliner Zeitung verabschiedeten einstimmig das an das Redaktionsstatut der Süddeutschen Zeitung angelehnte Papier. Selbst für Krisenzeiten ist das eine beachtliche Beteiligung bei dem mehr als 120 RedakteurInnen zählenden Blatt. Außerdem wurde ein dreiköpfiger Redaktionsausschuss gewählt. „Die Stimmung war gut“, sagt ein Teilnehmer, die Versammlung selbst „vom Kampfgeist beseelt“.

Selbst die Chefredaktion steht – wenn auch ohne große Begeisterung – zum Statut. „Natürlich wünscht sich keine Chefredaktion so etwas, weil es unseren Handlungsspielraum einschränkt“, sagte gestern die stellvertretende Chefredakteurin Brigitte Ferle zur taz: „Aber besondere historische Situationen erfordern besondere Maßnahmen.“ Schließlich signalisiere die Redaktion hier dem Verlag, sich für die Zeitung und ihre Qualitätsstandards einzusetzen.

Beim Verlag nämlich könnte Chefredakteur Uwe Vorkötter bald auf der Abschussliste stehen. Noch vor wenigen Monaten, heißt es bei der Berliner Zeitung, hätte der sich „garantiert mit Händen und Füßen gegen ein Redaktionsstatut gesträubt“. Jetzt stärkt es seine Position im Tauziehen um die vom Verlag und seinen neuen Eigentümern geforderten Sparmaßnahmen, die das Blatt zu Gunsten der neuen Eigentümern auf utopische Renditen von 20 Prozent und mehr katapultieren sollen. Ihn selbst fragen kann man allerdings nicht – Vorkötter hat diese Woche Urlaub.

Macht nichts: Die für Morgen anberaumte Aufsichtsratssitzung, bei der eigentlich verbindlich auf Sparkurs umgeschwenkt werden sollte, wird jetzt wohl eher ohne konkretes Ergebnis bleiben. Denn die dreiköpfige „Arbeitsgruppe Redaktion“, diese Troika aus Verlagschef Peter Skulima, Vorkötter sowie Hans-Peter Buschheuer, Chefredakteur beim Schwesterblatt Berliner Kurier, kommt nicht weiter. „Da läuft nix“, sagt ein Redakteur.

Vor allem Montgomerys amerikanische Geldgeber von der Investmentgesellschaft Veronis Suhler Stevenson (VSS) werden nun langsam ungeduldig, weil der umstrittene britische Zeitungsmanager bislang nur eines erreicht habe – Unruhe im Haus und schlechte Presse allerorten. Parallel wächst die Unzufriedenheit mit Verlagsleiter Skulima.

Darauf setzen die RedakteurInnen: Sie wollen Montgomery weiter isolieren. Da VSS dagegen an einem Interessenausgleich sowie besserer Zusammenarbeit mit der Redaktion interessiert ist, könnte das Redaktionsstatut dann sogar den Segen des Verlags bekommen – und so volle Gültigkeit erhalten.

Und dann ist da noch Gert Schulte-Hillen. Der ehemalige Gruner+Jahr-Chef berät Montgomerys Konsortium. Er hat vor kurzem auch den Kauf der Hamburger Morgenpost für die BV Deutsche Zeitungsholding eingefädelt, wo es schon länger ein Redaktionsstatut gibt. Zu seiner Gruner+Jahr-Zeit hat Schulte-Hillen außerdem mit den Redaktionsausschüssen von Stern, Geo und Brigitte konstruktiv zusammengearbeitet, mit den Stern-Redaktionsräten sogar die heutige Doppelspitze in der Chefredakion abgemacht. Da könne er heute schlecht etwas gegen das gestern beschlossene, relativ zahme Statut haben, so die Logik bei der Berliner Zeitung. Schließlich gibt es Schlimmeres: Bei der Zeit können drei Viertel der stimmberechtigten RedakteurInnen die Absetzung der Chefredaktion verlangen, bei der taz setzt ein von allen MitarbeiterInnen gewählter Vorstand die Chefredaktion ein und ab. – Nur ein Redaktionsstatut, dass auch gleich Geschäftsführung und Inhaber zum Teufel jagt, gibt es immer noch nicht.

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