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Archiv-Artikel

KRIEGSVERBRECHERTRIBUNAL: DER DRUCK EUROPAS AUF SERBIEN IST ENORM Ohne Auslieferung keine Zukunft

Die Causa Mladić ist für Belgrad weder eine juristische noch eine moralische Frage. Es ist ein aufgedrängter und peinlicher Deal. Und der lautet: Wenn der wegen Kriegsverbrechen gesuchte bosnisch-serbische General dem UNO-Tribunal ausgehändigt wird, dann wird Serbien bis zum Jahresende die Verhandlungen über das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit der Europäischen Union erfolgreich abschließen können. Dieser erste Schritt in Richtung Beitrittsverhandlungen ist für das sozial ruinierte Land von existenzieller Bedeutung: Die offene europäische Perspektive würde auch in der Zukunft die wirtschaftliche Unterstützung der EU und internationaler Finanzinstitutionen sicherstellen und ein positives Investitionsklima in Serbien schaffen.

Sollte sich Mladić jedoch nicht in Kürze auf der Anklagebank des Tribunals wiederfinden, wären die Folgen für Serbien verheerend. Belgrad müsste mit internationaler Isolation und Sanktionen rechnen. Der außenpolitische Handlungsrahmen wäre noch weiter geschwächt, dem verarmten Volk wäre selbst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geraubt und der Weg zur Macht für ultranationalistische Kräfte geebnet. Das ist auch Brüssel bewusst. Deswegen werden die Fristen für die „volle“ Zusammenarbeit mit dem Tribunal immer wieder verlängert. Nun ist vom Ende März die Rede. Wenn Mladić bis dahin nicht festgenommen wird, sollen der Intergrationsprozess abgebrochen werden.

Doch selbst wenn serbische Behörden über den eigenen Schatten springen und entgegen der eigenen Überzeugung den hochgeachteten General nach Den Haag ausliefern sollten – von einem Sinneswandel in Serbien könnte man selbst dann noch nicht sprechen. Weil eben dieser Sinneswandel fehlt, waren die bisherigen Fahndungsaktionen halbherzig. Deshalb versucht man auch ihn zu überreden, sich freiwillig zu ergeben. Und deshalb bemühen sich Politiker krankhaft, zu erklären, warum sie gezwungen seien, Mladić unter die Wölfe zu werfen, und welche Vorteile die Bürger davon haben würden. Kein Thema ist dagegen, warum der General überhaupt gesucht wird: Wegen der fürchterlichsten Verbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. ANDREJ IVANJI