: Zweites Guantánamo
Blatt: US-Regierung baut afghanisches Gefangenenlager aus. Haftbedingungen schlechter als in Guantánamo
WASHINGTON/KABUL afp/taz ■ Im US-Gefangenenlager Bagram in Afghanistan herrschen laut New York Times schlimmere Zustände als im US-Lager Guantánamo auf Kuba. Die US-Armee habe auf ihrem Stützpunkt Bagram bei Kabul unbemerkt von der Öffentlichkeit ein Gefängnis ausgebaut und halte dort rund 500 Menschen fest, berichtete die Zeitung gestern. Damit habe das Militär auf ein Urteil des Obersten Gerichts von 2004 reagiert, der die Rechte der Insassen von Guantánamo gestärkt hatte.
Vertreter des US-Verteidigungsministeriums hätten das Lager Bagram bei zahlreichen Gelegenheiten als Provisorium beschrieben, berichtete das Blatt. Nach ihren Angaben sind dort hauptsächlich mutmaßliche afghanische Terroristen eingesperrt, die später begnadigt oder in eine afghanische Haftanstalt verlegt werden könnten, die mit US-Hilfe gebaut werde. Tatsächlich aber würden Häftlinge in Bagram bereits bis zu drei Jahre ohne Anklage festgehalten. Den Gefangenen würden bis heute Anwälte vorenthalten, sie wüssten nichts über die Vorwürfe gegen sie und würden von den USA als feindliche Kämpfer angesehen. Ehemalige Häftlinge, Militärvertreter und Soldaten hätten der Zeitung Anlagen beschrieben, in denen Männer in Drahtkäfigen gehalten würden und bis vor einem Jahr Eimer als Toiletten benutzen mussten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz habe Zugang zu dem Gefängnis. Ranghohe Mitarbeiter des Pentagon hätten zu dem Bericht nichts sagen wollen. Bagram liegt rund 65 Kilometer von Kabul entfernt.
Bei der am Samstagabend ausgebrochenen Häftlingsrevolte im Hochsicherheitstrakt von Afghanistans größtem Gefängnis wurden laut eines Polizisten und eines Unterhändlers mindestens vier Gefangene getötet und 30 verletzt. Offiziell bestätigt wurden diese Zahlen zunächst nicht. Hunderte Soldaten und Polizisten waren gestern weiterhin um das Gefängnis Pul-i-Scharchi in Kabul postiert. Wegen der unübersichtlichen Lage stürmten sie das Gebäude zunächst nicht.
Im Hochsicherheitstrakt sind mehr als 1.300 Gefangene inhaftiert, unter ihnen 300 mutmaßliche Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer. Nach Angaben von Behördenvertretern weigerten sich die Aufständischen, verletzte Mithäftlinge an Ärzte zu übergeben. Um die Revolte niederzuschlagen, hätten Wärter auf die mit Bettstangen und Glasscherben bewaffneten Meuterer geschossen. Diese hätten Forderungen zur Verbesserung ihrer Haftbedingungen gestellt.