: Die Reformreform
VON RUDOLF WALTHER
Die Chancen zur Beendigung des Streits um die deutsche Rechtschreibreform stehen nicht schlecht. Gestern hat der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Korrekturvorschläge der Reform an die Kultusministerkonferenz (KMK) übergeben. Am Freitag dieser Woche wird die KMK darüber entscheiden. Nach allen Vor- und Rückwärtssprüngen, die diesen seltsam verschlungenen Reformprozess auszeichnen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die KMK der Mehrheit der 39 Ratsmitglieder folgen wird.
Im April 2004 war der Rat unter Leitung des ehemaligen bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair eingesetzt worden, weil die Kritik an dem Reformprojekt nicht abriss. Er sollte Änderungen an der Reform vorschlagen, wozu allerdings eine Zweidrittelmehrheit nötig war. Nach den nun bekannt gewordenen Empfehlungen sollen sich Groß- und Kleinschreibung sowie Zusammen- und Getrenntschreibung nun stärker nach der Betonung und der Gesamtbedeutung des Begriffs richten: So soll der „Blaue Brief“, das „Schwarze Brett“ und der „Runde Tisch“ (in der Politik) geschrieben werden.
Als Beispiele für die Zusammenschreibung nannte der Rat „schwerfallen“, „müßiggehen“ und sich „näherkommen“ sowie „pleitegehen“. Bei Verbindungen, bei denen das Adjektiv eine Eigenschaft des Objekts bezeichnet, soll Zusammen- und Getrenntschreibung möglich sein. Zum Beispiel: eine Wand „blau streichen“ oder „blaustreichen“; Zwiebeln „klein schneiden“ oder „kleinschneiden“.
Kompromissvorschläge, die einen Streit beenden sollen, der inzwischen fast zehn Jahre währt. Die Reform der deutschen Rechtschreibung begann am 1. Juli 1996 mit einer „Gemeinsamen Absichtserklärung“ der Kultusminister aus der BRD, Österreich und der Schweiz für eine „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“ nach den Vorschlägen einer Expertenkommission. Die neuen Schreibweisen sollten nach einer Übergangsfrist zum 1. August 1998 flächendeckend eingeführt werden. Zehn Bundesländer gingen jedoch sofort zur neuen Rechtschreibung über – ein Verstoß gegen das, was die Reformgegner mit viel Pathos „Rechtschreibfrieden“ nennen.
Ende August 1996 legte der Duden eine neue Auflage vor. Helles Entsetzen erschütterte das Land, denn der neue Band enthielt einige Ungereimtheiten. Die KMK bekam kalte Füße und berief im März 1997 eine „Zwischenstaatliche Kommission“, die anstelle von Duden, der sein Monopol verlor, den Korrekturbedarf ermitteln und „die Diskussion versachlichen“ sollte.
Daraufhin lehnte es die KMK zunächst ab, am Reformwerk herumzuflicken, und entschied, dass die Reform für alle Schulen und Ämter zum 1. Juli 2005 verbindlich werden sollte. Im Juni 2005 billigte die KMK dann aber doch moderate Änderungsvorschläge der „Zwischenstaatlichen Kommission“.
Damit aber noch nicht genug: Im Juni 2004 war der Rat für Rechtschreibung an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission getreten – nötig geworden war er, weil sich die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen weigerten, die Regelungen in Kraft zu setzen. Wenn die KMK nun auch die Vorschläge des Rats billigt, wäre der Reformprozess zumindest offiziell an ein Ende gekommen – freilich unter Aufgabe vieler ehrgeiziger Reformziele auf radikale Vereinfachung der deutschen Schriftsprache. Vom Schaltjahr 2006/2007 an soll sie dann endgültig an den Schulen gelten.
Inoffiziell wird der Streit aber wohl weitergehen. Theodor Ickler, Erlanger Linguist und Vordenker der Reformgegner, hat am Samstag in einem langen Artikel in der FAZ seinen Austritt aus dem Rat angekündigt. Das bedeutet, dass zumindest die verbissenen Reformgegner auch die Beschlüsse der KMK von dieser Woche nicht als letztes Wort nehmen werden.