: Jagdszenen aus Niederbayern
Live vom Politischen Aschermittwoch mit Doktor Edmund Stoiber in Passau
Meine sehr verehrten Zuhörerinnen und Zuhörer draußen im Lande, ein herzliches Grüß Gott, ich begrüße sie zum Politischen Aschermittwoch in Niederbayern hier in der voll besetzten Dreiländerhalle in Passau. Hier im Versammlungssaal der CSU, am größten Stammtisch Deutschlands, herrscht schon jetzt eine bombige Stimmung, es ist eine Mordsgaudi. Und so wie Inn, Donau und Ilz die Drei-Flüsse-Stadt Passau umspülen, so werden die trockenen Kehlen der Besucher hier auch von mindestens drei Maß Bier umspült, wenn nicht mehr. Jetzt setzt die Blaskapelle ein und unter den Klängen des bayerischen Defiliermarsches ziehen Ministerpräsident Edmund Stoiber, Staatskanzlei-Leiter Erwin Huber und Generalsekretär Markus Söder triumphierend in den Saal. Alle fragen sich natürlich: Wird der bayerische Ministerpräsident wieder zu großer Form auflaufen wie im letzten Jahr? Wird er seinen eigenen Rekord von zwei Stunden diesmal überbieten?
Ja, Edmund Stoiber ist mittlerweile in Fahrt gekommen, und er teilt zur Freude des Publikums kräftig aus. Das ist Balsam für die offenen Wunden der bayerischen Volksseele. Hier dampft die Gemütlichkeit, die Bedienungen kommen mit dem Biernachschub kaum mehr nach, kein Wunder bei dem sehr süffigen Gerstensaft. Kein Thema ist vor Stoibers rhetorischer Häckselmaschine sicher – jetzt spricht er ein heißes Eisen an, den Wildfleisch-Skandal:
„… und was den Berger-Wild-Skandal angeht, meine sehr verehrten Damen und Herren – diese unhaltbaren Zustände wurden doch aus dem Osten in unsere weiß-blaue Heimat eingeschleppt. Da sage ich nur: Wir lassen uns nicht länger unsere Top-Qualität aus Bayern von ungarischen oder ukrainischen Wildfrevlern kaputtmachen! Wir lassen uns nicht die barocke bajuwarische Lebensfreude von …“
Wir müssen leider unterbrechen, denn hier ist der Teufel los! Vor wenigen Augenblicken ist eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei in den Saal gestürmt und hat die Versammlung umstellt. Über die Gründe kann im Moment nur spekuliert werden. Aber schon im Vorfeld der Veranstaltung gab es Gerüchte, der Geflügelzüchter Alois Singerl, seines Zeichens Landrat von Schwandorf, habe sich mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert .
Eine gespenstische Szenerie … Ministerpräsident Stoiber hat seine Rede mittlerweile unterbrochen. Die Stimmung ist zum Zerreißen gespannt, alle fragen sich, was wird er als Nächstes tun – der Einsatzleiter der Polizei kommt jetzt zu ihm auf die Bühne. Während des erregten Gesprächs fuchtelt der Ministerpräsident fahrig herum, er gibt sich kämpferisch, aber es sind nur noch Satzfetzen zu verstehen: „… der Fortschritt spricht Bayerisch … Stallpflicht … Wir sitzen doch alle in der Champions League …“
Der Einsatzleiter der Polizei übernimmt jetzt das Mikrofon und gibt bekannt, dass Bundesagrarminister Seehofer für alle Anwesenden Hallenpflicht angeordnet und ein absolutes Freilaufverbot verhängt hat. Das heißt, dass bis auf weiteres keiner den Saal verlassen darf und zum Schutz der Bevölkerung eine Schutzzone im Umkreis von drei Kilometern um die Dreiländerhalle eingerichtet wurde. Nun gehe es darum, das Überspringen des Virus auf unbescholtene Bürger zu verhindern. Alle hier stehen natürlich unter Schock – die Kapelle spielt erst einmal „ein Prosit der Gemütlichkeit“.
Jetzt kommt links von der Bühne Unruhe auf. Was ist das? Die Mittenwalder Gebirgsschützen in ihren wunderschönen Trachten legen ihre Gewehre an und feuern eine Salve ab. Wollen sie sich den Weg nach draußen freischießen? Eine Hundertschaft Uniformierter stürmt mit gezückten Schlagstöcken herein. Es sind Männer der Bundeswehr bei ihrem ersten Einsatz im Innern. Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Die Soldaten in ihren Tarnanzügen machen die Räume eng, praktizieren jetzt konsequente Manndeckung, prügeln wie wild auf die Delegierten ein. Vorne kommt es zum Handgemenge mit Zuschauern, die ersten Maßkrüge fliegen, das sind Prügelszenen wie beim „bayerischen Kessel“. Ministerpräsident Stoiber wird von seinen Bodyguards in die Kulissen gedrängt, während von den Gebirgsschützen weitere Schüsse abgefeuert werden …
Verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer – die Dreiländerhalle gleicht einem einzigen Tollhaus. Im Tumult versuchen einige zu fliehen, aber bei dem Polizei- und Bundeswehraufgebot haben sie kaum eine Chance, den Sperrgürtel zu durchbrechen. Die Anwesenden werden sich wohl auf einen längeren Aufenthalt in der Dreiländerhalle einstellen müssen. So haben sie sich den Politischen Aschermittwoch wohl auch nicht vorgestellt. Wieder setzt die Blaskapelle ein, sie spielt zur Beruhigung der überhitzten Gemüter den bayerischen Füsiliermarsch. Und damit zurück ins Funkhaus …
RÜDIGER KIND