Das Geflügel wird nicht immun

Um Hühner zu schützen, könnte die Freilandhaltung in Deutschland auf lange Zeit verboten werden

„Statt sie für immer einzusperren, sollten wir überlegen, die Tiere zu impfen“

BERLIN taz ■ Die Hühner sollen das ganze Jahr in den Stall. Das fordert der Brandenburger SPD-Agrarminister Dietmar Woidke. Auch das Bundesagrarministerium schloss gestern nicht aus, die Freilandhaltung über längere Zeit zu verbieten.

Es ist unwahrscheinlich, dass das Geflügel eines Tages gegen den gefürchteten Erreger immun wird. „Voraussichtlich passiert das nicht“, sagt Anita Idel vom Projektmanagement Tiergesundheit & Agrobiodiversität in Berlin. Am meisten gefährdet seien Hühner. Sie stürben innerhalb von zwanzig Stunden, nachdem sie sich angesteckt haben. Enten seien da robuster. Sie können das Virus in sich tragen – und unauffällig weiterleben.

Trotz der Anfälligkeit der Hühner hält Idel aber nichts vom Stallzwang „als Lösung“. Es sei eine „Illusion zu glauben, geschlossene Ställe seien ein geschlossenes System“. Es blieben Risiken: „Stellen Sie sich vor, eine kranke Ente kackt auf das Stroh, das draußen vorm Stall liegt“, sagt die Tierärztin. „Das Virus wird doch – wie vermutlich in Frankreich passiert – bei der nächsten Fuhre mit reingekarrt.“ Außerdem brauche das Geflügel Auslauf, natürliches Licht, Sand und Gras. Idel fordert: „Statt sie für immer einzupferchen, sollten wir überlegen, Tiere zu impfen.“

Die deutsche Regierung lehnt die Immunisierung jedoch strikt ab: Infizierte Tiere ließen sich von geimpften nicht mehr unterscheiden. Das behandelte Federvieh könnte unbemerkt Viren ausscheiden. Dazu kommt eine wirtschaftliche Komponente: Das Fleisch von geimpften Tieren kann nicht exportiert werden.

Die Fachleute in den Niederlanden und Frankreich haben damit weniger Probleme. Beide Länder wollen das Geflügel in bestimmten Regionen impfen. Dabei sollen einige Tiere in der Herde jeweils ungeimpft bleiben. Sie gelten als Wächter – bei ihnen würde sich eine Erkrankung sofort bemerkbar machen.

Probleme aber bleiben. „Jetzt impf ich, und ich bin geschützt – so einfach ist das nicht“, sagt Martin Schneidereit vom Bundesverband für Tiergesundheit, ein Lobbyverband der Tierarzneihersteller. Es gebe keine hundertprozentige Sicherheit. Bisher sei kein spezieller Impfstoff gegen den Stamm H5N1 erforscht. Und: Weltweit stellen nur drei Firmen die Impfstoffe her. Dazu gehört z. B. Intervet in den Niederlanden.

Außerdem erklärt Schneidereit: „Wir werden keine Grillhühner impfen.“ Diese würden nie länger als 35 Tage gemästet. Und ein Tier könne erst geimpft werden, wenn es drei Wochen alt ist. „Das lohnt nicht.“ Für Bauern ist das Impfen relativ teuer: Für jedes tote Huhn bekommen sie eine Entschädigung aus der Tierseuchenkasse der Länder, fürs Impfen nicht.

HANNA GERSMANN